Lonely ohne Phonely

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„Die Kriminalität ist auf Gran Canaria nicht sonderlich hoch“, behauptet das der lokalen Tourismusbranche vermutlich nicht allzu fernstehende „Informations“portal grancanariaonline.com.

„Nicht sonderlich hoch“? Naja:

Mitte Juli erstach in Playa di Arinaga eine Frau ihren Freund.

Wenig später entdeckte die Polizei in einer Wohnung in Las Palmas die stark verweste Leiche einer Frau, die allem Anschein nach ebenfalls einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefellen war.

Ebenfalls im Juli wurde ein Deutscher verhaftet. Er soll Ualauban grosse Rabatte auf Reisen versprochen haben, die keinen Wert hatten.

Am letzten Samstag fanden Ordnungshüter in La Orotava die Leiche eines neugeborenen Babys; sie lag in einem Müllsack. Die Mutter sitzt hinter Gittern.

Vor diesem Hintergrund ist mein „Fall“ kaum der Rede wert: Mir wurde gestern Abend das iPhone geklaut, das ich erst vor ein paar Wochen gekauft hatte.

Eben sass ich mit ihm noch, nichts Böses ahnend, in einem Beizli am Strand. Wie zwei Frischverliebte teilten wir uns einen Stracciatella-Pistache-Coupe (ohne Rahm, wegen ihm). Dann machte ich mich auf den Weg zum Hotel. Als ich beim zehn Meter vom Café entfernten Taxistand vorbeiging, merkte ich, dass etwas nicht stimmte. Oder genauer gesagt: Dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Ein zögerlicher Griff in die Hose bestätigte, was mein Unterbewusstsein sofort vermutet hatte: Das Handy war weg.

Und mit ihm 6004 Lieder, über 3000 Fotos, sämtliche Unterlagen der Szenerie Burgdorf, unzählige Mails und SMS, Kalendereinträge, einige harmlose, aber aufwendig gedrehte Filme, die Jass-App, die Wetter-App plus, last but absolut nicht least, die Möglichkeit, jederzeit meinen Schatz anrufen zu können, nur, um kurz ihre Stimme zu hören.

Aber gut: Immer noch lieber kurz von der Aussenwelt ab- als in einem Apartment aufgeschnitten.

Glücklicherweise I wurden meine Kommunikationswege nicht komplett veschüttet. Und glücklicherweise II ist das meiste, was mir abhanden gekommen ist, auf dem Compi zuhause gespeichert. Ich werde das neue Handy nur an ihn anschliessen müssen, und schwupp: Sind Toto, Deep Purple, Abba, die Halunke, Mark Knopfler, die Hochzeits- und Ferienbilder, die Termine (Juhui!) sowie die privaten und geschäftlichen Korrespondenzen wieder da.

Das ist ein Grund zum Feiern. Wir machen ein bisschen Musik:

Kaum im Hotel angekommen, warf ich den Laptop an, um Chantal zu schon sehr vorgerückter Stunde zu bitten, die Swisscom-Hotline anzurufen und das iPhone sperren zu lassen. Wenig später meldete sie: Alles ok.

Von der Poolbar aus, an der die anderen Gäste andächtig einem Soulsänger lauschten, der Harry Belafonte nachmachte, rief ich dem Dieb, der sich bestimmt schon auf eine lange Jassnacht gefreut hatte, ein hämisches „Ha!“ hinterher. Daraufhin tippte ich ein paar Mails an Leute, die in meinem Leben sonst nur eine sehr periphere Rolle spielen, für mich jetzt jedoch schlagartig sehr wichtig wurden.

Jetzt gehe ich zum nächstbesten Polizeirevier, um den Frevel für die Versicherung anzuzeigen.

Auf eine merkwürdige Weise bin ich sehr gespannt darauf, die echten Kollegen von Paolo Cruz und (dem inzwischen wohl eher unehrenhaft aus dem Dienst ausgeschienenen) Daniele Corrida kennenzulernen.

Nachtrag: Das Handy ist tags darauf wieder aufgetaucht.

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