„Jetzt gehe ich zum nächstbesten Polizeirevier, um den Frevel für die Versicherung anzeigen“, schrieb ich in meinem Beitrag zum Thema „iPhone-Klau“.
Als ich das tippte, ahnte ich nicht, wie aufwendig es sein würde, den Verlust meines Handys juristisch korrekt abzuwickeln.
Touristen, denen etwas abhanden gekommen ist, müssen sich als Erstes beim Cuerpo Nacional di Policia in Madrid melden. Dieses teilt ihnen eine Nummer zu und ein Revier, auf dem sie damit vorsprechen können.
Soweit die Theorie.
In der Praxis hangelte ich mich gestern Morgen anderthalb Stunden lang von einer madrilenischen Telefonwarteschleife zur nächsten, ohne auch nur einmal einen realen Menschen zu hören. Irgendwann erachtete ich die Zeit als gekommen, die Dinge ein bisschen zu beschleunigen. Ich ging zum Hotelempfang und fragte eine der diensttuenden Damen, ob sie mir dabei behilflich sein könne.
Gemeinsam surften wir durch die Homepage des Nationalen Polizeicorps von Spanien, bis wir eine Möglichkeit gefunden hatten, ein eigentlich nur für Einheimische gedachtes Anzeigeformular auszufüllen. Wenig später hatte ich eine Fall-Nummer, mit der ich mich auf dem Posten in San Fernando melden konnte.
Dort angekommen, überreichte ich das Papier einem Beamten. Er überflog es und sagte nur „Wait!“
Während ich waitete, sah ich aller Gattig Lüüt kommen und gehen: Einen hochbetagten Senior mit frisch gegipstem Arm und wasserfallartig plappernder Gattin; zwei junge Frauen in Begleitung eines Mannes, der mich spontan an Fors vo dr Lueg erinnerte, nur ohne Hörner und nicht so schön tschäggett, einen Teenager mit einem zugeschwollenen blauen Auge und Blutflecken auf dem Hemd und eine weitere Frau mit einem grossen Holzventilator in der Hand.
Die Sonne hatte den Zenit längst überschritten, als ich von einem Polizisten in dessen Büro gebeten wurde. Unsere Unterhaltung verlief ziemlich zähflüssig, weil er nur bruchstückhaft Englisch sprach und ich des Spanischen nicht übertrieben mächtig bin. Am Ende hatten wir die Verlustmeldung (siehe oben) aber beisammen.
Zwischen dem Moment, in dem ich zum ersten Mal nach Madrid telefonierte, und dem Augenblick, in dem ich den Polizeiposten von San Fernando verliess, lagen gut fünf Stunden.
Nachdem ich ins Hotel zurückgekehrt war, schrieb ich meiner Frau, es sei alles in Ordnung. Ich würde das Dokument am Montag der Versicherung in der Schweiz faxen. Schon am Vorabend hatte Chantal dafür gesorgt, dass die Swisscom meine Handy-Nummer sperrte, womit eines meiner besten Stücke für seinen neuen „Besitzer“ mehr oder weniger wertlos geworden war.
Der Rest des Tages verlief weitgehend ereignislos. Als der Mond aus dem Meer stieg, wurde in der Hotelanlage die tupfgenaugleiche Flamenco-Show geboten wie vor einem Jahr (und zwar, wenn mich nicht alles täuschte, auch vor dem tupfgenau gleichen Publikum), weshalb ich mich um 21 Uhr herum in mein Schlafgemach zurückzog, um zu lesen.
Die Zimmertüre war noch nicht ins Schloss gefallen, als das Telefon auf dem Nachttischli surrte. Ich hob den Hörer ab – und hatte zu meiner ebensogrossen Überraschung wie Freude Chantal am Apparat.
Vorhin, sagte sie, habe ein gewisser „Tom“ aus Gran Canaria ihr mitgeteilt, dass er mein iPhone gefunden habe.
Ich konnte nicht glauben, was ich hörte. Doch unter der Nummer, die Chantal mir angegeben hatte, meldete sich tatsächlich ein Tom. Ja, bestätigte er, mein Handy sei bei ihm. Und, klar: Ich könne es gleich abholen.
Ich eilte aus dem Hotel, rief ein Taxi und fuhr zum zweiten Mal an diesem Tag nach San Fernando. In einem abseits gelegenen, spärlich beleuchteten und irritierend verwinkelten Viertel voller kleiner Häuser, die alle gleich aussehen, fanden der Fahrer und ich Toms Hütte with a little help von einem Einheimischen nach einigem Suchen.
Ich stieg aus und klingelte. Hinter der weiss getünchten Mauer kläffte ein Hund wie wild. Nach einer Weile hörte ich Schritte. In einem Fensterchen in der Türe erschien ein Gesicht. Er sei Tom, sagte der Mann, und reichte mir das iPhone durch die Öffnung. Er habe es in einem Taxi gefunden, oder bei einem Taxistand, sagte er. Ich drückte ihm einen üppigen Finderlohn in die Hand. Mehr zu reden hatten wir nicht.
Auch wenn die Umstände seines Comebacks nicht völlig geklärt sind und wohl für immer im Halbdunkel bleiben: Mein iPhone und ich feierten unser Wiedersehen ausgelassen bei einem halben Liter Mineral und versprachen uns dabei feierlich, uns nie mehr aus den Augen zu verlieren.
Übrigens: Auf Facebook hatte ich nach dem Verlust des Handys geschrieben, „Chantal kümmert sich jetzt auf der Heimbasis um den Fall. Das heisst: Alles wird gut.“
Et voilà.