Deep Purple, Desperate Housewives und Delikatessen à discrétion

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Nach einer Woche Gran Canaria und knapp zwei Monaten Australien folgten heute plusminus sechs Stunden Österreich, oder besser gesagt: Tirol, oder für jene, dies ganz genau wissen wollen: Ischgl.

Ischgl ist laut dem Internet wie Mallorca, nur mit Eis statt Sand, dafür mit mehr Russen als Deutschen, weshalb man sagen kann: Ischgl 2013  entspricht Stalingrad 1945, aber eigentlich gehts gar nicht darum, sondern um:

Meinen Brüetsch und mich und Deep Purple.

Wir alle waren heute in Ischgl, um entweder eine glatte Zeit zu verbringen und dabei auch noch einen Haufen Geld zu verdienen (Deep Purple) oder aber, um sozusagen fast nur zu arbeiten (mein Brüetsch) oder um eine glatte Zeit zu verbringen, indem man den einen zur Arbeit begleitet und den anderen beim Arbeiten zuschaut (ich).

Darüber, welche der drei Parteien das beste Los gezogen hatte, brauchen wir uns kaum lange zu unterhalten. Oder vielleicht doch, denn so einfach, wie sich das gerade noch las, war es dann auch wieder nicht, aber wenn ich lange genug darüber nachdenke, muss ich sagen: Irgendwie habe ich jetzt einfach keine Lust, all die Zusammenhänge en détail zu erläutern, deshalb abschliessend nur soviel: Während am Ballermann alles

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auf Deutsch

angeschrieben ist, setzen die Ischglerinnen und Ischgler aufs

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Englische.

Wenn man die Homepage des ehemaligen BergbauerndorfYscla (rumantsch für „Insel“) anklickt, schiessen einem wie Granatsplitter die Worte „Active“, „Enjoy“, „Relax“. „…& More“, „Sport“, „Action“ und „Exictement“ ins Auge, was jedoch niemandem wehtut, weil in Ischgl alle Sonnenbrillen tragen.

Die coolste von allen Sonnenbrillen habe à propos

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ich (links im Bild),

und zwar dank eines Besuches im Mountain Boutique Hotel „Cervo“ in Zermatt, wo man diese tiptoppen und tophippen Sehhilfen, sobald man bezahlt hat, als Bhaltis mitnehmen darf.

In anderen Gastrobetrieben gibts ein Täfeli, das man am besten mit dem Papier kaut, weil mans sowieso nicht auspacken kann, oder einen Chugi, der nicht schreibt oder einen lauwarmen Händedruck vom Hotelfachassitentenlernenden, der sich hinter dem Rezeptionstresen nicht rechtzeitig wegducken konnte, aber das nur nebenbei.

Bevor ich den Faden, den ich ein paar Abschnitte weiter oben, gleich hinter „Ischgl ist laut dem Internet…“, aus den Fingern verloren habe, endgültig nicht mehr finde, muss ich…Sekunde…Moment…ich habs gleich…

…Mist.

Ich fange am besten nochmal von vorne an.

Also: Um ziemlich genau Punkt 6.37 Uhr heute Morgen düsten mein Bruder und ich vom Bahnhof Baden aus los. Über die Autofahrt gibts nicht viel zu erzählen (oder ämu nichts, was die breite Öffentlichkeit interessieren könntesollte). Es hatte manchmal viel Verkehr und manchmal weniger und wir hörten lässe Musik und führten gute Gespräche.

Am Zoll machte wegen des Freikörperabkommens mit Brüssel niemand Anstände, und als wir Ischgl mit einiger Verspätung endlich doch noch erreicht hatten (zuhinterst im Montafon gings auf einmal nicht mehr weiter; die Strasse war wegen Winters gesperrt, worauf wir umkehren und eine halbe Stunde zurück durch das Tal rasen blochen tuckern mussten), wussten wir: Jetzt sind wir in Ischgl.

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Viel Zeit zum Herumplämperlen hatten wir wegen der Montafonsache nicht. Mit dem Bähnli schwebten wir so husch es ging hoch ins „Alpenhaus“, die  – wir geben kurz ab in die Werbung – „wahrscheinlich stilvollste Skihütte der Tiroler Alpen“.

Dort warteten Deep Purple nicht nur, aber auch auf uns. Meinem Brüetsch, der in Diensten von Radio Argovia in Ischgl weilte , war es gelungen, einen Fünfminuten-„Slot“ für ein Interview zu bekommen.

Fünf Minuten für Deep Purple: Das ist zuwenig, um die rund 50jährige Bandgeschichte durchzubesprechen und einen langen Blick in die Zukunft zu werfen, aber immer noch besser als, sagen wir: vier Minuten, in denen nicht mehr Platz hat als

– Journalist (J.): „Hello! A few days ago you released your new album ‚Now what?!‘ What do you think about this CD?“

– Deep Purple-Mitglied (DPM): „Hi! I think it’s the best album we’ve ever made.“

– J.: „Even better than ‚Machine Head‚ or ‚In Rock‚“?

– DPM: „Let’s say…“

– Agentin der Plattenfirma: „Time’s over. Next journalist please.“

Aber so liefs in Ischgl natürlich nicht. Mein Brüetsch nutzte den Slot in seinem

 

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Gespräch mit Roger Glover, Don Airey und Steve Morse

optimal aus. Er unterhielt sich mit ihnen über das Jazzfestival Montreux, den Tod des Ex-DPM Jon Lord und anderes mehr, und am Ende schaffte er es sogar noch, den nebenan frühstückenden Purple-Sänger Ian Gillan dazu zu bewegen, mit ihm für ein Erinnerungsbild zu posieren.

Das wars dann auch schon, slotmässig, und ab gings zur Pressekonferenz im hundert Meter oder so weiter unten gelgenen Heliport. Um dorthin zu gelangen, musste die Journimeute durch knöcheltiefen Sulz stapfen, während die DPM mit einem Ratrac chauffiert wurden.

Die Pressekonferenz war nicht das Spannendste, was ich je erlebt habe – die Fragen drehten sich primär darum, wer von Deep Purple skifahre und ob es wohl stimme, dass Ian Gillan „Child in time“ nicht mehr singe, weil die Stimmbänder nicht mehr alles mitmachen, dabei weiss inzwischen jeder auch nur randständig Musikinteressierte, dass Gillan „Child in time“ seit vielen, vielen Jahren nicht mehr singt, weil die Stimmbänder nicht mehr alles mitmachen –  , doch zum Glück krachte hinter den in Reih und Glied platzierten Musikern, noch bevor es losging, die Wand mit den Sponsorenaufschriften zusammen, was für grosse Heiterkeit bei den Stars und Schreibern und für etwelche Unruhe bei den PR-Verantwortlichen dieser Veranstaltung sorgte.

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Nach dem Medientreffen gings wieder hoch ins „Alpenhaus“, wo für die Korrespondentinnen und Korrespondenten, die vor lauter Fragen und Mitschreiben und Durchvermatschtealpentschalpen inzwischen fast kollabierten, diverse Leckereien ihres Verzehrs harrten.

Gratis und franko gabs  à discrétion von diesem

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und as much as you can eat von jenem

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oder nach Herzenslust davon

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Und dann…dann gings endlich los: Nach einem Intro von mindestens Wagner’schen Dimensionen betraten Deep Purple die Bühne am Berg. Doch falls die Organisatoren des „Top of the mountain-Concerts“ die Idee gehabt haben sollten, mit dem legendären Quintett auf 2300 Metern über Meer für Partystimmung zu sorgen, mussten sie alle Hoffnungen spätestens nach dem dritten Stück fahren lassen. Deep Purple improvisierten und solierten sich durch zum Teil hochkomplex angelegte Melodienlandschaften und verzichteten darauf, das grosse Hitfeuerwerk zu zünden. Von der nigelnagelneuen CD präsentierten sie lediglich „All the time in the world“ und damit ausgerechnet jenen Song, den Gillan vor den Medien kurz zuvor als den „langweiligsten des ganzen Albums“ abqualifiziert hatte.

Das zigtausendköpfige Publikum, das sich vorab aus operativ in Schuss gehaltenen Desperate Housewives und potenziellen Reality-Soap-Darstellern im Privatfernsehen zusammensetzte, konnte damit herzlich wenig anfangen. Die Connaisseurs echten Bluesrockschaffens hingegen kamen durchaus auf ihre Kosten.

Nach der letzten Zugabe verweilten wir nochli auf dem Berg. Dann liessen wir uns in einer 18er(!)-Gondel ins Tal tragen. Im Hotel angekommen, wussten wir auf einmal nicht mehr so recht, was wir mit der vörigen Zeit anfangen sollten. Eigentlich hatten wir ja geplant, in Ischgl zu übernachten.

Aber danach, den Rest dieses Tages in einm der vielen Halligalli-Schuppen zu verbringen, stand uns der Sinn ebensowenig wie nach ausgedehnten Mondscheinspaziergängen durchs Dorf.

Eine halbe Stunde, nachdem wir unser Viersternezimmer betreten (und, ja: gemerkt hatten, dass wir beide ein wenig Heimweh nach unseren Lieblingsmenschen) hatten, kamen wir wie von alleine zum Schluss, dass wir genausogut heimfahren, wie in Ischgl die Zeit totschlagen können. Für das Zimmer brauchten wir nichts zu bezahlen, weil wir, wie die Hotelchefin sagte, im Grunde ja gar nicht eingecheckt hatten.

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2 Kommentare

  1. Das mit den Desperate Housewives ist perfekt formuliert!!! Da haben einige nach dem Arlberg vergessen, dass jemand zu Hause wartet…

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