Aus dem Leben eines Playaboys (VI)

– „Mami: Morgen werde ich 15. Darf ich ab jetzt einen BH tragen?“
– „Nein, Max.“

Diesen Witz erzählte gestern ein Mann seiner Frau vor dem Hoteleingang.

Die Frau machte: „Hihi!“
Ich dachte: „Oho!“

Weil: Ich wusste, wo der Mann – hörbar ein Berner – den Witz herhatte: Aus der Berner Zeitung. Neulich hatten wir auf einer „Forum“-Seite noch genausoviele Zeilen frei, dass er wie dafür erfunden hineinpasste.

Fünf Millimeter mehr Platz, und der der Mann hätte einen anderen Witz erzählt. Seine Frau hätte vielleicht nicht „Hihi!“ gemacht, sondern ihn überhaupt nicht lustig gefunden, worauf der Mann geschmollt hätte, sie finde seine Witze nie lustig, worauf sie erwidert hätte, seine Witze seien auch nie lustig, worauf er vorgeschlagen hätte, sie soll doch einfach einmal die Klappe halten, worauf sie gezetert hätte, nein, jetzt halte sie einmal – einmal! – nicht die Klappe, jetzt werde das z Bode geredet, worauf er erwidert hätte, das sei seiner Meinung nach jetzt aber der falsche Ort und die falsche Zeit, um so Sachen z Bode z rede, worauf sie gefaucht hätte, jetzt oder nie, worauf er gesagt hätte, dann nie, worauf sie sofort ausgecheckt und aus dem Bus zum Flughafen ihren Anwalt angerufen hätte, um die Scheidung einzureichen, worauf der Mann nach einer letzten Serwessa an der Poolbar an den Strand und von dort

ins Meer gegangen

wäre.

Wochen später würde seine heissluftballonartig aufgedunsene und von allerlei Getier angeknabberte Leiche von einem

Billigbrillenverkäufer (links, Mitte und rechts)

aus dem gleich um die Ecke liegenden Afrika gefunden.

Weil er nicht weiss, wohin damit, bringt er sie zum nächstbesten Allyoucaneatchinesen, der ihm dafür 5 falsche Euro in die Hand drückt. Der Extrem-Fielmann schickt das Geld in seine Heimat. Die Leute aus seinem Dorf bauen damit einen Brunnen und eine Schule; was übrigbleibt, wird in Boden-Luft-Raketen investiert.

Ich sehe gerade: Fotografieren am Strand ist hier gar nicht so hip, wie ich immer meinte.

Ich…

*zack!* *boing!*

„Nein! Nicht das Handy…!! – No! Not the cellphone!!…“

„…tami! Fuck! Seid ihr noch gebacken? Ich… – …damned! Fuck! Are you still baked!? I…“

*ngngngngngng*

„Das darf ja nicht wahr sein! Gebt das her! Nein! Nicht ins… – This may yes not be true! Give this here! No! Not in the…“

„…wunderbar. Super, wirklich. Jetzt ist es hinüber. – Wonderful. Super, really. Now it’s over it.“

*paff!* *paff!!* *paff!!!* *WUMM!*

*hust*

*würg*

*röchel*

Wo sind wir liegengeblieben? Ach ja.

Während das Paar also beim Hoteleingang stand und über den Bikiniwitz lachte und dann diskutierte, was man an diesem wunderschönen Abend noch unternehmen könnte, dachte ich: „Das muss es jetzt sein, das Prinzip vom Schmetterling, von dem nur ein Flügelschlag genügt, um…“. Aber dann kam ich nicht mehr darauf, um was auszulösen der Flügelschlag eines Schmetterlings genügen würde (einen Tsunami? Neuwahlen im Bundesrat? Die Senkung der Halbtaxtarife?) und begrub den Gedanken wie Max seine Träume vom BH.

(Übrigens: Max heisst im Witz, den wir publizierten, nicht Max, sondern anders. Ich habe ihn für diesen Beitrag umgetauft, um meinen Stammleser Thomas nicht zu brüskieren.)

Wie ich die beiden Berner so heiter und glücklich ihre nähere Zukunft beratschlagen sah, war ich versucht, mich mit den Worten „Jetz lueg ou do! No zwöi Bärner!“ zu ihnen zu gesellen. Mein rechtes Bein hing schon in der Luft, um den ersten Schritt auf das Duo zuzumachen, als sich aus der Abteilung „Vernunft“ in meinem Gehirn Rosanna-Pamela vom Nachtdienst meldete und brüllte: „Tu das nicht! Auf.Gar.Keinen.Fall!“

Ich kenne Rosanna-Pamela inzwischen gut genug, um zu merken, wann ich auf sie hören muss. Es war ja klar, was sie meinte: Sobald der Mann und die Frau wüssten, dass sie einen Landsmann vor sich haben, würde sich bis aufs letzte Komma genau dieser Dialog entspinnen:

Mann: „Ha! Die Welt ist schon klein! Guetenaaabe!“

Ich: „Guetenaaabe!“

(Er würde sich vorstellen. Ich würde mich vorstellen. Vielleicht würden wir Duzis machen. Wahrscheinlich aber nicht. Er scheint nicht so der Sofortduzismacher zu sein.)

Mann: „Wo wohnen Sie in Bern? Länggass? Matte?“

Ich: „Ich arbeite nur da. Wohnen tue ich in Burgdorf.“

Mann: „Burgdorf! Auch schön! Tolles Schloss! Was arbeiten Sie in Bern, wenn ich fragen darf?“

Ich (nuschelnd und bereits chli bereuend, Hallo gesagt zu haben): „Bei der Berner Zeitung.“

Mann: „Wie bitte? Ich habe Sie nicht ganz verstanden.“

Ich (etwas lauter): „Bei der Berner Zeitung.“

Mann: „Bei der BZ! Ich glaubs nicht!! Trudi! Herr Hostettler arbeitet bei der BZ! Die haben wir seit hundert Jahren abonniert. Den Bund hatten wir auch, aber jetzt haben wir ihn nicht mehr.“

Ich: „Das freut mich. Ich meine, für uns. Nicht für den Bund.“

Mann: „Was machen Sie bei der BZ? Für welche…wie sagt man?…Abteilung arbeiten Sie?“

Ich (wieder nuschelnd): „Auf der Redaktion.“

Mann: „Ah, Journalist!! Für welches Gebiet, wenn ich fragen darf?“

Ich (alle Hoffnung auf ein baldiges Ende des Verhörs fahrenlassend, in normaler Lautstärke): „Für das Forum.“

Mann: „Hm, hm. Das Forum. Und da sind Sie zuständig für…?“

Ich: „…alles Mögliche, aber nicht alleine. Wir sind ein Team. Es geht um Leserkontakte. Wünsche erfüllen. Bloggen. So Sachen. Briefe beantworten. Schreiben. Wir sind sozusagen…“

Mann: „Leserbriefe… Was ich schon immer mal fragen wollte: Drucken Sie eigentlich alle Leserbriefe ab, die sie bekommen?“

Ich: „Nein. Das wären viel zuviele. Wir haben pro Tag nur zwei Seiten für die Briefe, aber da muss noch anderes drauf, zum Beispiel…“

Mann: „…ich habe manchmal das Gefühl, dass Sie mehr SVP-Leserbriefe abdrucken als andere. Stimmt das?“

Ich: „Nein. Aber das hören wir oft.“

Mann: „Dann stimmts also doch?“

Ich: „Nein. Ich wollte sagen: Wir hören oft, dass wir mehr Leserbriefe von rechten Parteien abdrucken als von linke. Aber wir hören genausooft, dass wir mehr Leserbriefe von linken Parteien abdrucken als von rechten. Das gleicht sich übers Jahr ziemlich aus.“

Mann: „Schon klar. Aber ein bisschen rechts ist die BZ schon, oder?“

Ich: „Nicht, dass ich wüsste. Wie gesagt….“

Mann: „Was meinst du, Trudi? Ist die BZ nicht ein bisschen mehr rechts?“

Trudi (will endlich gehen): „Ich habe die BZ schon ewig nicht mehr gelesen. Ich mache nur das Sudoku.“

Mann: „Ämu, wenn ichs nicht schon gemacht habe, höhö. Wer ist jetzt schon wieder der Chef von der BZ?“

Ich: „Michael Hug.“

Mann: „Genau. Stimmt. Er ist ja auf diesen…diesen…jedenfalls etwas mit F gekommen. Mit dem hatte ich öppedie zu tun.“

Ich: „Z’Graggen Er hiess Andreas Z’Graggen, Das heisst, so heisst er eigentlich immer noch. Er ist nur nicht mehr unser Chef.“

Mann: „Eben. Das ist jetzt eben dieser Hug. Und? Wie macht er sich so, als Chef?“

Ich: „Tiptopp. Ich kann nicht klagen.“

Mann: „Logisch. Ist er ihr direkter Vorgesetzer? Oder wie ist das bei Ihnen?“

Ich: „Er ist der Chef von der ganzen BZ und deshalb auch mein Vorgesetzter. Aber wir haben für jedes Ressort noch eigene Chefs.“

Mann: „Interessant! Und Ihr Ressortchef ist…“

Ich: „Giuseppe Wüest.“

Mann: „Ah! Der Wüest!“

Ich: „Sie kennen ihn?“

Mann: „Nein.“

Ich: (wünsche mich nach Guantanamò) „Ich…“

Mann: „Mit den Inseraten läufts grad nicht so gut, wie man hört.“

Ich: „Ach – mit den Inseraten haben wir keine Probleme. Höchstens mit ein paar Inserenten.“

Mann: „Ich verstehe nicht ganz…“

Ich: „Mit Inserenten. Besser gesagt, mit Inserenten, die nicht mehr inserieren. Die sind ein bisschen ein Problem. Nicht die Inserate. Das war ironisch gemeint.“

Mann: „Jetzt ist es gegangen. Höhöhö.“

So würde das weitergehen, bis der Mond, des Zuhörens müde, frühzeitig untergegangen und die Sonne, die von dem sinnfreien Geplapper da unten nichts ahnen konnte, voller Vorfreude auf den neuen Tag aufgegangen wäre. Der Mann und ich würden über die BZ reden und reden und reden und am Samstag den Rückflug verpassen, aber das alles würde nichts daran ändern, dass die BZ halt schon ein bisschen mehr rechts ist als links, oder umgekehrt, oder nichts von beidem.

Deshalb liess ich den Berner und die Bernerin weiter darüber plaudern, was sie noch miteinander machen könnten in dieser Nacht – ein Sudoku vielleicht? – und ging ins Bett.

Bereits erschienen:

Wie man sich ein Missverständnis von der Palme schüttelt und das weltweit erste Bild des Mannes, der auf den Kanaren das Wetter macht. Dazu: Wie ich den Euro rette.

„Das Leben am Pool ist kein Zuckerschlecken, wenn das Kolosseum in Trümmern liegt und Neil Young „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ singt.

„Das Vollbeschäftigunsprinzip der kanarischen Kellner, ein frustrierter Lebensabschnittspartner und neue Perspektiven für Galerien“

„Die Dünen von Maspalomas: Gigantisches Openair-Sexparadies oder überdimensionierter Sandhaufen? – Ein Selbsterfahrungsbericht.“

„Ohrfeigen im Dutyfree-Shop, künstlicher Regen und Flugzeuge mit Untergewicht“

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