Aus dem Leben eines Playaboys (I)

Samstagnachmittag, 12.15 Uhr: Wenn das alles chli gehetzt wirkt jetzt – sorry. Es muss alles ziemlich schnell gehen, weil: Es pressiert.

Im Moment, in dem ich das schreibe, sitze ich in der Halle zum Gate 5 im Flughafen Zürich. Draussen geht die Welt unter: Endlos fällt Regen auf die nass glänzenden Rollbahnen. Alle zwei Minuten sticht ein Flugzeug in den Himmel, der vor lauter Grau kaum zu sehen ist. In einer Viertelstunde steige ich in eine Maschine der chli trudelnden Air Berlin. Sie wird mich in dreieinhalb Stunden nach Las Palmas auf Gran Canaria bringen.

Das Wetter dort: Sonne, gut 30 Grad, kaum Wind.
Und hier noch die Vorhersagen für die kommenden Tage: Sonne, gut 30 Grad, kaum Wind.

Ich bin der einzige Gast an dieser ungastlichen Bar. Die anderen Passagiere sitzen in ihren Plastikstühlen und warten darauf, dass ihre Flüge aufgerufen werden. Wenn ein gewisser Juri Sowiesitsch, der von Moskau nach New York reist und in Zürich vom Fräulein im Lautsprecher ständig gebeten wird, sich bei der Information zu melden, sich nicht subito bei der Information meldet, ist der Zug für ihn bald abgefahren. Und das im Unique Airport.

Zeit für tiefschürfende philosophische Betrachtungen habe ich, meine A320 hinter dem Wasservorhang nur schemenhaft vor Augen, für einmal nicht. Deshalb nur kurz: Die neusten Flughafentrends:

– Der Raucher wird wieder als Mensch betrachtet. Jedenfalls scheint es hier, wo noch vor Kurzem Sondereinheiten der Polizei patrouillerten, um jeden dingfest zu machen, der auch nur den Anschein erweckte, ein Päckli Zigaretten aus dem Poschettli zu ziehen, deutlich mehr Reservate für unser Randgrüppli Raucherlounges zu geben als auch schon.

– Die Frauen entdecken ihre eigenen Stärken: Auffallend viele weibliche Fluggäste schleppen ihre Silbermetaliséehartschalenkoffer selber. Die Männer bummeln, das in einem Rucksäckli verstaute Handgepäck locker über die Schuler drapiert, nebenher.

– Der Gattin im Dutyfree-Shop vor allen Leuten eine Ohrfeige zu verpassen: Das ist noch kein Trend. Falls es einer werden sollte, kann ein grob geschätzt 200 Kilo schwerer Amerikaner in einem rotweissen „I love Switzerland“-Shirt und einer Dàchlikappe mit dem Eiffelturm drauf für sich beanspruchen, ihn gesetzt zu haben. Aber vielleicht macht er ja nur nach, was er von seinem Vater abgeschaut hat, und der von seinem Vater, und der von seinem. Vielleicht liegt in dieser Familie das Ohrfeigen einfach in den Genen. Dann wäre es natürlich etwas anderes und auch in diesem jüngsten Fall entschuldigt.

– Bis Neugeborene noch an der Nabelschnur hängend mitfliegen, ist eine Frage der Zeit. Auch wenn ich sonst grundsätzlich nichts Politisches unterschreibe: Wer auch immer mir ein Formular unter die Nase hält, mit dem gefordert wird, das Insflugzeugbringen von Kindern unter zwei Jahren zu verbieten – mein Autogramm hat er oder sie auf sicher. Nichts gegen Kinder; wirklich nicht. Aber einiges gegen Eltern, die unmittelbar nach der Endbindung samt Bébé in die Luft gehen. Das Kind dreht vor lauter Angst und Druckabfall fast durch, die Mitreisenden haben keine Sekunde Ruhe, das Flugpersonal – das ziemlich sicher schon mit dem Grossen ausreichend beschäftigt ist, kommt kaum mehr aus dem Sichumsmami kümmern heraus.

„Die Passagiere von Flug AB2086 nach Las Palmas werden gebeten…“: Ich muss.

Wobei: „Muss“?

Der Pilot, dessen Name ich leider in den Moment vergesse, in dem er sich und die Cabin Crew vorstellt, ist ein freundlicher Mann. Um uns die Wartezeit bis zum Start zu verkürzen, gibt er durch, das uns die Piste 16 zugeteilt worden sei, dass die Flughöhe 11 300 Meter betragen werde und dass wir mit durchschnittlich 853 Stundenkilometern über Lyon, die Pyrenäen, Funchal und ein Stück Atlantik nach Gran Canaria düsen würden. Das Abfluggewicht betrage gut 70 Tonnen.

Letzteres scheint er mit einem feinen Unterton zu sagen. Falls er mich gemeint haben sollte: Ich kann ihn beruhigen: Ich will auf den Kanaren nicht nur am Strand liegen, sondern mit extrem zügigen Spaziergängen am Meer, schweisstreibenden Velofahrten über Land und harter Arbeit ultimativen Workouts im hoteleigenen Fitnesszenter auch und vor allem kiloweise Pfunde verlieren. Im Idealfall heben wir in einer Woche in einer wesentlich leichteren Maschine ab. In einem Flugzeug mit Untergewicht, quasi.

Et voilà: Sonne, gut 30 Grad und kaum Wind.

Natürlich hat der Fahrer des Hotelshuttles Verspätung oder den Termin vergessen, aber dafür gibts ja Taxis. Für 28 Euro bringt mich ein bemerkensewert schweigsamer Spanier nach Playa de Inglés, ins Hotel Parque Tropical. Woher das Hotel seinen Namen hat, wird mir auf der ziemlich viel Zeit beanspruchenden Zimmersuche durch die weitverzweigte Anlage klar:

Vom Parque Tropical bis zum Strand seien es nur 50 Meter, heisst es im Internet. Das stimmt auch (wie fast alles, was im Internet steht). Nur: Zwischen dem Hotel und dem Wasser dräut

ein unüberwindbarer Abgrund

in Form einer überhängenden Geröllhalde. Bis zu einem ruhigen Plätzchen am Salzwasser marschiere ich knapp eine halbe Stunde. Aber mir wei nid chlage: Genau deshalb bin ich ja auf der Insel – um mich möglichst viel zu bewegen.

Sonntagmorgen, 4.15 Uhr: Sanftes Regenprasseln weckt mich aus einem nicht sonderlich tiefen Schlaf. Ich habs gewusst: Wenn ich Ferien habe, verwandelt sich auch die sonnenverwöhnteste Gegend der Welt über Nacht in einen Sumpf. Ich reisse allen Mut zusammen und täppele im Finsteren auf die Terrasse. Geistig bin ich schon am Packen: Ich will weg sein, bevor die anderen Gäste merken, was für einen Ferienverderber sie in ihren Reihen haben, und mich mit pitschnassen Badetüchern totschlagen, bevor sie mich unter hysterischem Singen von „Sun, fun and nothing to do“ im Sand verscharren.

Doch als ich vor mein Zimmer trete, ist die Luft so trocken wie ich seit achteinhalb Jahren: Am Firmament funkeln die Sterne. Kein Lüftlein bewegt die Palmenblätter. Kein Wassertropf benetzt das kleine Weglein vor mir. Im Schein der Laternen glitzern bloss ein paar Blätter feucht.

Watson kombiniert: Der vermeintliche Regen wurde von der Bewässerungsanlage erzeugt. Ich könnte mich also beruhigt wieder auf mein durchgeschwitztes Laken auf dem

Bett links

(zum Zeitpunkt der Aufnahme noch unbenutzt) legen.

Aber wenn ich jetzt schon einmal so gemütlich an diesem Tischli sitze und, begleitet vom Rauschen der Wellen und vom Zirpen der Gillen, so vor mich hin schreibe, muss ich sagen: Schlafen an diesem Ort ist eine noch grössere Zeitverschwendung als schlafen in der Schweiz (auch wenn es in meiner Heimt, wenn ich den Wetterbericht richtig interbretiere, gerade wenig Sinnvolleres gibt, als im Bett zu liegen und auf bessere Zeiten zu hoffen).

ich schaue mal, obs schon irgendwo einen Kaffee gibt. Hoffnung besteht: In der Poolbar brennt ein Licht.

Aha – wer sagts denn:

(Morgen live von der Insel: „Die Dünen von Maspalomas: Gigantisches Openair-Sexparadies oder überdimensionierter Sandhaufen? – Ein Selbsterfahrungsbericht.“)

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