Spätestens seit Michelangelo da Vinci („Ich bin der König der Welt!“) ist bekannt: Verfechter von steilen Thesen habens nicht leicht.
Ein trauriges Liedchen davon könnte, wenn ich denn singen könnte, auch ich singen.
Nachdem ich in diesem Blog neulich geduldig erklärt hatte, dass – und wie! – immer alles mit allem zusammenhänge, erntete ich nichts als Hohn und Spott plus den Kommentar eines politisch aktiven Fotografen (oder fotografisch aktiven Politikers, je nachdem, ob grad Session ist oder nicht), der sich bemüssigt fühlte, mir vor allen Leuten an meine Denkerstirn zu werfen, ich werde einen Teil meiner Leserschaft „wegen zu filosofischen und gesamtzusammenhängerischüberblicklerischen Inhalts verlieren“, wenn ich weiter so über die wirklich grossen Zusammenhänge drauflosreflektiere.
Eigentlich mag (und muss) ich mich mit solchen Einwürfen von der Seitenlinie ja gar nicht gross befassen. Aber wenn die Redaktion sich schon die Mühe gemacht hat, eine Grafik über die Klickzahlen kurz vor, während und nach der angeblich so quotenschwachen Filosofieperiode zu erstellen, gebe ich gerne kurz ins Studio und bitte die Kollegen dort, das Diagramm mal einzublenden…et voilä:
Noch Fragen? Gut.
Dann kann ich jetzt nämlich dazu übergehen, die Alleshängtmitallemzusammen-Theorie wasserdicht zu belegen, und zwar:
Als ich gestern Abend an der Piazza Grande in Locarno sass und auf die Konzerte von Kodaline und Jack Johnson wartete, fiel mir auf, wie unablässig Menschen an mir vorbeibummelten (siehe Film oben).
Ohne, dass ich es gewollt hatte, ging mir auf einmal der Song von John Lennon durch den Kopf, in dem er erzählt: „I’m just sittin‘ here watchin‘ the wheels go ‚round and ‚round. I really love to watch them go.“
Auf einmal war mir alles klar, um nicht zu sagen: kam ich nach. Denn wenn John Lennon Ende der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts genau dort gehöckelt wäre, wo ich in diesem Moment sass (wir erinnern uns: an der Piazza Grande in Locarno), hätte er keine wheels go ‚round and ‚round laufen sehen, sondern Leute, und folgerichtig hätte er dann getextet, er sei „just sittin‘ here watchin‘ the people go ‚round and ‚round“.
Das hätte mit der Musik nicht zusammengepasst, weil „people“ mehr Silben hat als „wheels“ oder so. Also hätte Lennon den Song entweder völlig neu oder zumindest umschreiben müssen, was dazu geführt hätte, dass das Album „Double Fantasy“, auf dem „Watchin‘ the wheels“, bzw. eben: „the people“ verewigt werden sollte, später erschienen wäre, was wiederum bedeutet hätte, dass Lennon am Abend des 8. Dezember 1980 nicht schon um 22.50 Uhr nach Hause ins Dakota Building in New York zurückgekehrt wäre, sondern noch bis tief in die Nacht hinein an der Platte hätte arbeiten müssen.
Mark David Chapman hätte mit seinem Revolver in diesem Fall noch lange auf Lennon warten können, ohne, dass dieser aufgetaucht wäre, und wo kein Lennon, da für Chapman keine Möglichkeit, ihn zu erschiessen, und irgendwann wäre er – Chapman – zweifellos müde geworden und unverrichteter Dinge ins Bett gegangen.
Lennon seinerseits würde – ohne auch nur zu ahnen, wie weitsichtig es war, an jenem Tag noch nicht Feierabend zu machen und stattdessen am Text von „Watchin‘ the people“ zu feilen – noch leben, und manches (wenn nicht sogar: alles), was ziemlich direkt nach seinem Tod passierte (9/11, Deutschland als Fussballweltmeister, Umbenennung von Schulreisen in „lernzielorientierte Exkursionen“; weitere Beispiele aufzuführen, wäre Zeitverschwendung, denn die Verbindungen sind auch so offensichtlich) wäre nie passiert.
Könnte das Abgehen der Klickzahlen nicht auch mit den Kommentaren zu tun haben, die man immer genötigt wird, nach facebook auch noch hier abzugeben? Und ausserdem klickt beim Smartphone gar nichts, warum spricht man also immer noch von Klickzahlen? Das sind Fragen, die die Welt bewegen und auf die selbst hier keine Antworten zu finden sind.