Tag 8, noch vor dem ersten Hahnenschrei in der Hotelküche
Neuigkeiten aus der Schweiz: Schulreisen heissen nicht mehr „Schulreisen“, sondern „lernzielorientierte Exkursionen“, wie T.F. aus K., die beste Sekretärin der Welt (darf man wenigstens das noch sagen, ohne gleich eine Rassimusklage zu riskieren: „Sekretärin“, und wenn nicht: Wie heisst das politisch korrekt neu? Ich muss das wissen, denn ICH WILL NICHT INS GEFÄNGNIS!, jedenfalls nicht in den Ferien) mir soeben in einem Zusammenhang, der für die Öffentlichkeit nur von untergeordnetem Belang zu sein hat, gestern mitteilte (aber gut, wenns jemand un-be-dingt wissen will: Ich habe sie gefragt, wie es so laufe, und sie hat geantwortet, „geng wie geng“, und, eben: Schulreisen würden heute „lernzielorientierte Exkursionen“ heissen, und daran chätsche ich jetzt, mutterseelenalleine in der Hotelanlage sitzend (siehe Bild oben), herum, weil ich sonst noch nichts zu chätschen habe; das Zmorge mit dem berühmten spanischen Bündnerfleisch gibts für die erste Staffel ab 8 Uhr und für die zweite ab 9, da das Fleisch für die betagteren Hotelgäste aufwändig püriert werden muss, und jetzt haben wir noch nicht einmal 5.52 GCZ.
„Lernzielorientierte Exkursion“: Wo führt das hin, ausser, auch geng wie geng, jedes Jahr auf die Rigi oder in ein Schloss oder nach Arth Goldau in den Zoo? Wem fällt so etwas ein? Und: War Yoko Ono wirklich die Alleinschuldige daran, dass die Beatles auseinandergefallen sind? Ich glaube nicht.
Schulreisen oder Schüler überhaupt habe ich auf Gran Canaria übrigens noch nie gesehen, was seine Vorteile hat: Es verangehmt Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln enorm, wenn man nicht bei jeder zweiten Haltestelle mit vorgehaltener Pistole um einen Hunderter für die Notschlafstelle gebeten wird und man nicht zweimal pro Woche ein Labor einschalten muss, um abzuklären, ob das Blut, das jeweils an den Spitzen der Spritzen klebt, auf die man sich im Bus mit unschöner Regelmässigkeit setzt, gespendet werden kann.
Andrerseits: Ich sage nur „Bruttoinlandprodukt“. Das von Spanien betrug letztes Jahr gemäss der offiziellen Bruttoinlandprodukthitparade 1’358’687 Millionen und jenes von der Schweiz 650’814 Millionen Dollar, also knapp die Hälfte.
Das heisst nach Adam Riese: Je weniger Schule, desto mehr Bruttoinlandprodukt desto mehr Wohlstand desto mehr medizinische Versorgung desto ein längeres Leben desto alles, und deshalb gehe ich jetzt einfach einmal davon aus, dass die spanischen Lehrerinnen und Lehrer Lehrpersonen zu ihren hyperaktiven Aufmerksamskeitsdefizitären eher selten sagen, „nicht für die Schule lernt ihr, sondern für das Leben!“, sondern meist viel präziser: „Nicht für die Schule lernt ihr, sondern für das Bruttoinlandprodukt, und zwar das von uns, nicht das von der Suisa.“
Oder, wie die Stammgäste der vielen Swingerclubs hier zu jubeln pflegen, bevor sie im Morgengrauen zu Frau und Kindern zurückwanken: Andere Länder, andere Titten.
Ein grosser Denker hat – wenn ich mich richtig erinnere, sogar in diesem Blog – einmal gesagt, es hänge, von sehr weit oben gesteuert, immer alles mit allem zusammen. Et voilà – hier haben wir einen weiteren Beweis für diese von vielen Skeptikern aus dem Grossraum Hongkong als „vielleicht etwas gar steil“ abgetane These: Köniz und die Beatles, Drogen und Servelats, Busbetriebe und Rassismus oder ADSL und Playa del Inglés haben mehr gemeinsam, als man denkt, aber dank der „erlebnisorientierten Exkursionen“ wissen das nun nicht mehr nur die Jungs von der NSU, sondern auch normale Steuerzahler wie du und ich und unsere liebenswerten Vermieter, die ich an dieser Stelle übrigens herzlich grüsse, und entsprechend können müssen wir handeln, denn wie schon der grosse Astrochemiker Steve Lukater aus Genf doziert hat, als er mit Monica Lewinsky noch in seinem Labor in der Rue de Rosanne vor sich hin experimentierte, bis sich das Strässchen samt den hübschen Häuschen eines präctigen Sommermorgens sozusagen fast von selber pulversierte: „Frage nicht, was die Schule für dich tun kann. Frage, was du für Bill Clinton tun kannst.“
Ich will ja nichts behaupten, aber wenn du noch lange auf dieser Insel bleibst, wirst du einen Teil deiner Leserschaft wegen zu filosofischen und gesamtzusammenhängerischüberblicklerischen Inhalts verlieren. Ich würde allerdings bleiben, was mich vor das Dilemma stellt, dass ich noch mehr solche Beiträge wünsche, dies aber wenn möglich so, dass der Verfasser etwas weniger abgläge seine Zeilen brünzlet.
Das Leben ist einfach kompliziert.