Vom Absturz eines Besessenen

Auf diese Idee muss man erst einmal kommen: Ein Theaterstück zu schreiben, das von Dreharbeiten zu einem Film über eine Erzählung handelt.

Genau das hat Paul Steinmann getan: Gestützt auf Jeremias Gotthelfs echte Erzählung „Der Besenbinder von Rychiswyl“, schrieb der Aargauer Autor ein Theaterstück darüber, wie Franz Schnyder fiktiv versucht, die Buchvorlage des Bauerndichters zu verfilmen – und daran scheitert.

Unter der Regie von Stefan Camenzind  zeigen Laiendarsteller – nein: das „Laien“ lassen wir weg; dafür sind die Leistungen des Ensembles viel zu eindrücklich – in der wild-romantischen und doch lieblichen Naturkulisse des Landschaftstheaters Ballenberg den Absturz eines Besessenen. Der für seinen Ehrgeiz berüchtigte Burgdorfer Filmemacher Franz Schnyder setzt  alles daran, an die Grosserfolge seiner „Ueli“-Filme anknüpfen zu können und die schwachen Kino-Besucherzahlen, die er mit den „Sechs Kummerbuben“ erreichte, vergessen zu machen. Schnyder ärgert sich über junge Regietalente wie Alain Tanner, kann – oder will – aber nicht wahrhaben, dass die Zeit der rustikal geprägten Heimatfilme endgültig vorbei ist. Nun will er den Schweizer Regiegipfel verteidigen – und zwar ausgerechnet mit einem Gotthelf-Stück , dem es – anders als der „Ueli“-Saga – fast gänzlich an an Spannung und Dramatik fehlt.

Auf dem Filmset ahnen oder wissen alle: Schnyder wird sein Ziel nicht erreichen. Nur Schnyder berserkert hinter der Kamera und über seinem Drehbuch weiter, als ob sich das Rad der Zeit zurückdrehen liesse, wenn man nur verbissen genug daran dreht.

Bei aller Tragik, die dem Geschehen innewohnt: Zu einem deprimierenden Erlebnis wird der Theaterbesuch nicht. Das liegt einerseits an der sicht-, hör- und spürbaren Spielfreude der Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich ohne Umwege direkt von der Wiese auf die gedeckte Tribüne überträgt . Und andrerseits daran, dass die Verantwortlichen diverse Gags in die Handlung integriert haben („Aus Gotthelf liesse sich auch ein Musical machen“), die die Besucherinnen und Besucher mehr als einmal schmunzeln oder lachen lassen. Etwas abseits der Bühne untermalen vier junge Musiker die Aufführung unaufringlich, aber wirkungsvoll. Rassige Pferde, riesige Kühe und neugierige Gänse tragen das Ihre zu einem höchst unterhaltsamen Abend auf dem Ballenberg bei.

 

(Weitere Besprechungen gibt es, zum Beispiel, in der Aargauer Zeitung, in der Jungfrau Zeitung, im Berner Oberländer, im Schweizer Fernsehen oder auf Radio DRS  zu lesen und hören.)

 

 

 

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