(Vorbemerkung 1: Als Lohnempfänger der zur Tamedia gehörenden Berner Zeitung bin ich beruflich weit aussen mit Res Strehle „verwandt“.
Aber – und damit kommen wir zur
Vorbemerkung 2: Ich habe mit Strehle weder geschäftlich noch privat je zu tun gehabt.)
Res Strehle, der Chefredaktor des Tagesanzeigers, habe „nachweislich mit Terroristen“ verkehrt, „engste Kontakte in die gewalttätige und gewaltbereite Szene“ gepflegt und „als längst Erwachsener Gewaltakte im Namen marxistisch-leninistischer Ideale“ gerechtfertigt: Das schrieb die Weltwoche am 7. Februar unter dem Titel „Der süsse Duft des Terrorismus“ (die Geschichte ist online nur über Umwege greifbar).
Garniert war der Text mit zwei Fahndungsbildern Fotos, die irgendwie aus dem Archiv der Stadtpolizei Zürich in die Weltwoche-Redaktion gelangt sein mussten (siehe oben).
Strehle wies die Vorwürfe zurück. Er sei „an keiner der von der Weltwoche erwähnten Gewalttaten beteiligt gewesen, auch nicht am Rande“, teilte er mit.
Der Artikel der Weltwoche „dramatisiert meine politische Vergangenheit auf eine Weise, die mit der Realität wenig, mit politischem Kampagnenjournalismus aber viel zu tun hat“, fasste Strehle zusammen.
Und schwupp, sind wir mittendrin in einer Debatte, die vermutlich nur in einem Land geführt werden kann, das grössere Probleme vor allem vom Hörensagenlesenfernsehen her kennt. Die, abgesehen von ein paar Journalisten, keinen Menschen interessiert. Und die folglich so überflüssig ist wie ein Kropf.
Denn erstens ist Strehles (frühere) Affinität zu linksradikalem Gedankengut längst bekannt. Der Mitbegründer der WOZ hat in seinen Texten nie ein Hehl aus seinen Sympathien gemacht. Seine (damalige) Denkweise thematisierte er darüberhinaus schon vor Jahren im Buch „Mein Leben als 68er“. Darin schreibt er: „Es war die Zeit, als mein Weltbild vom guten Menschen, den bloss das System kaputtmachte, die ersten kleinen Risse bekam. Die haben bis heute nicht dazu geführt, dass ich es gänzlich für falsch hielte.“
Und zweitens ist Strehle journalistisch nicht vor Kurzem dermassen verhaltensauffällig geworden, dass es nun dringend geboten sein könnte, seinen Werdegang bis in die letzten Winkel auszuleuchten; in ihrer an Fakten ziemlich armen und Fehlern bemerkenswert reichen Anklageschrift wärmt die Weltwoche einen seit 30 Jahren kalten Kaffee auf.
Es ist folglich nachvollziehbar, wenn Strehle nur mässig motiviert ist, sich öffentlich und en détail seiner „Vergangenheit zu stellen“, wie das – im Chor mit der Weltwoche – einige besorgte Zeit(ungs)genossen fordern. In einem Verhör einer Art Interview mit dem Branchenheftli „Der Journalist“ sagte der Tagi-Chef, was es seiner Ansicht nach zur Sache zu sagen gibt: Nichts.
(Auszug: Von Lukas Eglis Facebook-Site geklaut)
Dieses Beharren auf der Freiheit, sich zu was auch immer zu äussern, wann er will und nicht, wenn ihn wer auch immer womit auch immer zum Reden zu nötigen versucht, mag für den Vordenker einer der grössten Zeitungen des Landes etwas irritierend wirken. Aber: Es ist sein gutes Recht. Selbst echte Angeklagte dürfen vor richtigen Richtern schweigen, ohne, dass ihnen das zu ihrem Nachteil ausgelegt wird.
Ich persönlich werte es eher als Zeichen von Grösse denn als Beispiel für Schwäche (oder gar als Schuldeingeständnis), wenn jemand einfach mal die Klappe hält, statt sich auf Kommando für etwas zu rechtfertigen und zu entschuldigen, was bei jedem anderen als verjährt gelten würde.
Nur: Jeder andere ist natürlich auch nicht Vorgesetzter eines Journalisten, der Christoph Blocher, dem geistigen Götti von Weltwoche-Mastermind Roger Köppel, neulich bös an den Karren gefahren ist.
Nachtrag 27. Februar: Was es zum Thema zu sagen gibt, fasst René Zeller in der NZZ kurz und träf unter dem Titel „So lieber nicht, Kollegen“ zusammen.