Trauerspiel und Freudenfest

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Burgdorf, im „Zelt„, am Mittwochabend um kurz vor halb Neun: Auf der Bühne steht „George“, eine Mundartband aus dem Berner Seeland.

Frei von jeder Ambition, die Plattform, welche die renommierten „Zelt“-Events Schweizer Künstlern für Werbung in eigener Sache bieten, zu nutzen, ackern sich die Akteure durch das Programm.

Ausgerechnet der Mann, der der Gruppe den Namen gegeben hat und der als ihr Aushängeschild am Mikrofon eigentlich dafür sorgen müsste, dass die Maschinerie subito auf Touren kommt und dann eine Stunde lang wie geschmiert läuft, trägt am wenigsten zur Hebung der Stimmung bei. George wirkt seltsam…sagen wir: indisponiert, verpasst Einsätze, wirkt alles andere als textsicher, trifft kaum einen Ton und wenn doch, dann mit irritierender Zuverlässigkeit einen falschen.

„Es fägt“, nuschelt George nach den ersten paar Stücken in die Runde, doch ein Blick ins vielleicht sechshundertköpfige Publikum zeigt: Nein, es fägt nicht. Zäntume werden die Gesichter lang und länger.

Würde in diesem Moment der Strom ausfallen und der Gig abgebrochen: Die Enttäuschten liessen sich an zwei Händen abzählen.

Der Aufforderung des Sängers, sich von den Stühlen zu erheben, kommen viele Gäste noch so gerne nach. Aber nicht, um mitklatschend und -singend das Gebotene zu würdigen. Sondern, weil sich ihnen damit eine willkommene Gelegenheit bietet, die Stätte des musikalischen Grauens unauffällig zu verlassen.

(Tags darauf, als dieser Text bereits publiziert war, richtete sich George auf seiner Facebook-Seite mit folgender Botschaft an seine Fans: „Es tuet mir leid wenn i geschter Abe so ä schlächte Idruck ha gmacht, ig wett aber glich churz Stellig näh derzue. Wie sicher die meischte vo Euch wüsse, schaffe ig näbe dr Musig no 80% im Gartebou. Da ig ä strängi Wuche hinger mir ha und geschter diräkt vor Bousteu bi cho, bini ziemli kaputt gsih. Derzue chunnt dasi im Momänt ä Grippe mit starke Medis uskuriere wo ou no si Teil derzue tuet.

Wahrschindlich hätti geschter Abe gschider keis Bier gno, das het mir dr Räschte gä. I däm Sinn möchti mi bi aune Fans härzlich entschuldige, ha niemer wöue enttüsche.“)

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Burgdorf, im „Zelt“, am Mittwochabend um kurz nach halb Zehn: Auf der Bühne steht „Trauffer“, eine die momentan populärste Mundartband aus dem Berner Oberland. Als ob es kein Morgen geben würde, geben die Musiker um Marc A. Trauffer (Bild) von Anfang an Vollgas. Unter dem Chapiteau vibriert die Luft schon nach drei Akkorden vor Energie und guter Laune.

Bestens aufeinander eingespielt und mit sicht-, hör- und spürbarem Spass an der „Arbeit“ präsentieren die sechs Musiker und ihre Backgroundsängerin einen bunten Querschnitt durch ihre Alben „Dr Heimat zlieb“ und „Fischer & Jäger“. Immer wieder wendet sich der Chef an die Gäste, um chli mit einer Zuschauerin zu flirten, das Emmental zu loben oder etwas zur Entstehungsgeschichte eines Songs zu erzählen.

Auf peinliche Posen und falsche Anbiederungsversuche können Marc Trauffer (Gesang, Gitarre und Schyzerörgeli), Monika Schär (Gesang), Frank Niklaus und Christian Hugelshofer (Gitarren), Adamo Häller (Akkordeon), Christian Kyburz (Schlagzeug) und Marcel Suk, der an diesem Abend zum ersten Mal für Trauffer am Bass steht, verzichten.

Auch wenn der Auftritt naturgemäss über weite Strecken durchchoreografiert ist: Nichts wirkt aufgesetzt, nichts riecht nach Routine. Da sind einfach sieben Menschen, denen es Spass macht, miteinander und zusammen mit vielen Bekannten und Fremden die Sau rauszulassen. Auf hohem Niveau und – wohl anders als das „George“-Personal – im beruhigenden Wissen darum, dass der eine sich jederzeit auf seinen Nebenmann oder seine Nebenfrau verlassen kann.

So fägts.

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