Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte,
werte Regierungsräte und Regierungsrätinnen
Eine Woche nach dem 11. Mai aller 11. Maie kann ich aus Burgdorf melden: Die Lockerungen der Anticorona-Massnahmen zeitigen erste Erfolge. Die Menschen gehen nicht nur raus auf die Strassen und Gassen, sondern auch rein in die Beizen und Läden, und viele von ihnen – wenn auch längst nicht mehr alle – halten sich dabei vertrauensvoll und verantwortungsbewusst an Ihre Verhaltensregeln.
Sie, geschätzte Oberbefehlshabende, wissen aus eigener Erfahrung: In Schreiben, die so beginnen, kommt früher oder später ein „Aber“. In diesem Fall kommt es eher früher, nämlich jetzt.
Aber bei aller Freude darüber, dass das soziale und wirtschaftliche Leben langsam wieder Fahrt aufnimmt, stelle ich doch fest, dass Einiges nicht zusammenpasst. Ich mache Ihnen das nicht zum Vorwurf. Niemand kann ernsthaft von Ihnen erwarten, dass Sie jedesmal, wenn Sie etwas beschliessen, an sämtliche Mitmenschen, Geschäfte, Vereine und Institutionen denken, die von diesem Entscheid betroffen sein könnten.
Und doch wäre da, einerseits, die Sache mit den Restaurants. Ich kenne Gastronomen, die fünfstellige Summen investierten, um ihre Lokale mit Plexiglaswänden und anderen Massnahmen coronakompatibel umzugestalten. Während sie versuchen, ihren Gästen auch unter widrigen Umständen ein kulinarisch-gesellschaftliches Erlebnis zu bieten, machen andere Betriebe plusminus da weiter, wo sie am 16. März aufhören mussten.
Jene Beizer, die Ihren Anweisungen gefolgt sind, kommen sich deshalb etwas – entschuldigen Sie bitte den Ausdruck – verarscht vor. Nach dem Motto „Es ist, wie es ist“ sind sie zwar weit davon entfernt, sich zu beklagen. Sie freuen sich vielmehr darüber, wieder für ihre Kundinnen und Kunden dasein zu dürfen. Was sie stört, ist die Tatsache, dass der Kampf um die Klientel mit ungleich langen Spiessen geführt wird, beziehungsweise, dass kaum jemand konsequent kontrolliert, wie lange die Spiesse sind.
Mir ist schon klar, dass die Polizei noch anderes zu tun hat, als Tag für Tag durch Restaurants zu patrouillieren, um nachzusehen, ob alles ist comme il faut. Nur muss, wer A wie „Auflage“ sagt, auch B wie „Besonderes Augenmerk darauf legen, ob A eingehalten wird“ sagen, sonst gibt das nur Irritationen und Frustrationen oder kurz: Probleme, und an solchen herrscht aktuell ja auch so schon kein Mangel.
Und da sind, andererseits, die Betreiberinnen und Betreiber von unzähligen Spiel- und Sportstätten. Sie bekommen auf ihren privaten Poschtiausflügen mit bemühender Regelmässigkeit mit, wie Heerscharen sich vom frühen Morgen bis am späten Abend durch grosse Einkaufszentren wälzen, beissen mit ihrem Wunsch, ebenfalls wieder Geld verdienen zu dürfen, allerdings auf Granit.
Ich bin kein Gesundheitsexperte, aber trotzdem ziemlich sicher, dass ein paar Dutzend Personen auf einem – sagen wir – Minigolfparcours oder Pétanqueplatz im Freien weniger Viren umherschleudern als Tausende von Leuten in der Ikea.
Wer seinen Lebensunterhalt – oder zumindest einen Teil davon – in der Freizeitbranche verdient, verbrachte schon sehr trostlose Ostern. Am Donnerstag beginnt das lange Auffahrtswochenende, dann folgen Pfingsten. Die Wetterfrösche sagen sonnig-warme Tage voraus.
Wäre es mit Blick darauf nicht angezeigt, die eine oder andere Weisung in den nächsten Tagen noch einmal zu überdenken?