Drei Kugeln am Nachthimmel

Ich muss das jetzt einfach erzählen: Am Freitag, 26. März 2010, habe ich drei Ufos gesehen.

Das heisst: Ob es richtige Ufos mit Weltallstaub dran und grünen Männchen drin waren, weiss ich nicht. Aber es waren drei mir unbekannte fliegende Objekte. Also: irgendwie halt schon Ufos.

Ich entdeckte sie zufällig: Als ich durch den Regen von der Burgdorfer Oberstadt zum Bahnhof hinunterspazierte, bemerkte ich um 21.35  Uhr auf der Höhe des Gertsch-Museums, wie rechts von der Burg zwei leuchtende Kugeln über den Hügel schwebten. Sie sahen aus wie Feuerbälle, flackerten aber nicht. Sie flogen, wie an einer Schnur gezogen, ganz langsam über mich hinweg über die Stadt und Kirchberg und weiter in Richtung Solothurn. Mit etwas Abstand – sagen wir: eine Minute später – folgte ihnen eine weitere Kugel, die genauso aussah wie die beiden anderen. Sie war genauso gemächlich in die selbe Richtung unterwegs.

Um sicherzugehen, dass es sich nicht um die Scheinwerfer von Suchhelikoptern oder Feuerwerk handelt, zog ich die Kopfhörer meines iPhones aus den Ohren. Doch abgesehen vom Regen, der auf die Baumblätter und den Asphalt fiel, war nichts zu hören.

Chantal lachte mich herzhaft aus, als ich ihr von meiner Beobachtung berichtete. So etwas, sagte sie, hätte sie von mir nun wirklich nicht erwartet. Ich musste ihr Recht geben: Wenn mir jemand etwas Aussergewöhnliches oder, noch lieber: Gruselig-Gfürchiges anvertraut, muss er davon ausgehen, dass ich das auf der Stelle ins Lächerliche ziehe. Ich kann nicht anders: Solche Sachen nehme ich nicht ernst. Ich schaue mir nicht einmal Science-Fiction-Filme an, weil ich weiss, dass das, was da gezeigt wird, Lichtjahre von jeder Realität entfernt ist.

Aber jetzt, seit den Ufos, verging, ausser gestern, kein Abend, an dem ich nicht an meinem Wohnungsfenster stand und nachschaute, ob sich die Dinger wieder blicken lassen würden. Es nützte alles Augenzukneifen nichts.

Natürlich: In Burgdorf und Umgebung gibt es verschiedene Zeitgenossen, die ziemlich problemlos drei Leuchtkugeln in jeder gewünschten Grösse in die Luft jagen könnten. Die Jungs von der Technischen Fachhochschule zum Beispiel, die auf genau dem Hoger steht, über die „meine“ Kugeln flogen, brächten das bestimmt ohne Weiteres zu Stande. Dem Eisenkünstler und Feuerfreak Bernhard Lugenbühl würde ich eine solche Aktion ebenfalls zutrauen.

Nur: Wenn dahinter Menschen gesteckt hätten, hätte man das doch entweder vorher (damit möglichst viele Leute zuschauen können) oder nachher erfahren. Aber nichts da. Die Kugeln kamen, flogen über Burgdorf hinweg und verschwanden.

Mehr weiss ich nicht. Und mehr will ich irgendwie auch gar nicht wissen.

 

(Das obige Bild zeigt keine von den Kugeln, die ich gesehen habe. Aber es sah sehr ähnlich aus)

Im Land der Träume

Falls mich mal jemand nach einem Bild fragen sollte, das den totalen Frieden symbolisiert, schicke ich ihm das hier:

Titel: „Mein Göttibueb, nach der langen Reise nach Burgdorf auf dem Sofa schlafend.“

Kachelmann und die Kirchenmänner

Seine Ex Ein Polizist Ein Mitarbeitender der Staatsanwaltschaft Jemand hat der „Bild“-Zeitung gesteckt, dass der Meteorologe Jörg Kachelmann wegen angeblicher Vergewaltigung in Untersuchungshaft sitzt. Die Nachricht tat, was Nachrichten in solchen Fällen immer tun: sie ging um die Welt. Zum Suchbegriff „Jörg Kachelmann Vergewaltigung“ liefert Google aktuell 21 100 Treffer.  

Auch wenn der Gründer der Meteomedia – deren Verantwortliche es für „undenkbar“ halten, dass die Vorwürfe stimmen –  die Anschuldigungen zurückweist und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass an diesem Knochen kein Fleisch ist: Sein Image als Wetterfach- und Strahlemann ist ruiniert. Es wäre sehr erstaunlich, wenn Kachelmann am Fernsehen noch einmal über „Blumenkohlwolken“ und „schlurfende Winde“ referieren würde.

Ein Beispiel dafür, wie TV-Gewaltige mit juristisch auffällig gewordenem Personal umspringen, lieferte Pro7 mit  Andreas Türck. Der Talkmaster wurde von einer psychisch labilen Frau bezichtigt, sie missbraucht zu haben. Noch bevor der Prozess begann, liess der Privatsender sein langjähriges Aushängeschild fallen. Trotz eines erstklassigen Freispruchs dachte bei Pro7 später niemand auch nur im Traum daran, Türck wieder zu beschäftigen.  

Das Merkwürdigste und Stossendste an der „Affäre Kachelmann“ ist jedoch: Während er gestützt auf die Aussage von einer einzigen Person in seiner Zelle schmort, dürfen Dutzende und Aberdutzende von höchst ehrbaren Männern unbehelligt ihre Triebe ausleben ihrer Arbeit nachgehen oder ihren Ruhestand geniessen, obwohl sie sich zum Teil mit Wissen ihrer Vorgesetzten mehr als nur „angeblich“ über Jahre und Jahrzehnte hinweg aufs Übelste an minderjährigen Schutzbefohlenen vergangen haben.

Nachträge: Nebst vielen anderen Bloggern beschäftigt sich auch Stefan Niggemeier mit dem Thema: „Ich bin nicht der Meinung, dass die Medien über den Fall Kachelmann hätten berichten sollen geschweige denn müssen, denn der tatsächliche und potentielle Schaden für den möglicherweise Unschuldigen ist riesig“, schreibt der deutsche Medienjournalist. Auch Michelis Pantelouris, der Betreiber von „Print würgt“, ist nicht der Meinung, Kachelmanns Verhaftung sei grundsätzlich von öffentlichem Interesse: „Was auch immer in der Beziehung von Jörg K. schiefgelaufen ist, natürlich hat niemand von uns “ein Recht darauf”, es zu erfahren. Im Gegenteil: Jörg K. und seine Freundin haben zunächst einmal ein Recht darauf, dass es ihre Sache bleibt.“

Nachtrag zu den Nachträgen: Jörg Kachelmann ist frei. Und bleibt es vermutlich auch.

Klasse an der Kasse

Die Schlange wird lang und länger.

Ganz zuvorderst steht eine vielleicht 80jährige Frau mit dünnen, grauen Haaren und einem kleinen Buckel. Während sie leise mit der Kassierin spricht, stockert sie mit ihren runzligen Fingern ununterbrochen in ihrem Portemonnaie herum. Die Kassierin schaut ihr unbeteiligt zu. Nein: genervt. Die Kassierin schaut der Rentnerin, die seit sicher einer halben Minute den ganzen Betrieb hier aufhält, sehr genervt zu.  

Alle wissen, was los ist; auch ich. Niemand unternimmt etwas; auch ich nicht.

Alle wären einfach nur froh, wenn die alte Frau möglichst heute noch irgendwo Geld finden würde.

„Wieviel fehlt?“, erkundigt sich auf einmal ein Mann aus der Schlange nebenan. Die alte Frau zuckt zusammen.

„Sechsfünfzig“, sagt die Kassierin. Und, weil sie glaubt, der Mann habe sie nicht verstanden, oder weil sie findet, sie müsse ihre Kundin noch ein bisschen mehr demütigen, wiederholt sie: „SECHSFÜNFZIG!“

Sie könnte es auch über den Ladenlautsprecher durchgeben. Vielleicht denkt sie tatsächlich eine Sekunde lang darüber nach.

Der Mann entnimmt seinem Geldbeutel eine Zehnernote und bittet seine Kassierin, sie unserer Kassierin hinüberzureichen.

Die Seniorin dreht sich zu ihm um. Ihre Augen sagen „Danke“. Und „Hat es in diesem Boden kein Loch, in das ich für eine Stunde verschwinden könnte?“ Die Kassierin drückt ihr dreifünfzig in die Hand. Die alte Frau scheint zu überlegen, wie sie dem Mann das Münz geben könnte, ohne den Jahresumsatz dieser Coop-Filiale gleich noch einmal zu gefährden. 

Der Mann winkt ab: „Behalten Sies. Gehen sie einen Kaffee trinken. Das beruhigt.“