Die ewigen Sieger

Wer auch immer heute Abend in Oslo gewinnt – in der Geschichte des Grand Prix Eurovision de la Chanson Eurovision Song Contest gibt es seit dem 6. April 1974 auf immer und ewig und darüberhinaus nur einen Gewinner:

Und so war das damals, in jener magischen Nacht in Brighton:

Wenig später liess am Pophimmel ein neuer Stern alle anderen verblassen.

See that girl, watch that scene:

Bildlich gesprochen

Vorhin, in der „Metzgere“: Ein Mann mittleren Alters sagt zu seinem Kollegen, seine Freundin habe ihn zusammengeschissen, weil er(!) sich drei Paar Schuhe gekauft hat.

Daraufhin überlegte ich mir, was genau das eigentlich bedeutet: jemanden zusammenscheissen.

Eine grobe Vorstellung konnte ich mir schon machen. Sicherheitshalber warf ich zuhause trotzdem noch die Internet-Suchmaschine an  – et voilà:

Ich werde den Begriff „zusammenscheissen“ nur noch sehr, sehr zurückhaltend verwenden.

Damals, im Sommer

Vier Wochen lang gab es von Mittag bis Mitternacht nichts als Fussball, Fussball und Bier ohne Ende: Zwischen dem 8. Juni und dem 8. Juli 1990 sass ich wegen der WM in Italien ununterbrochen in der Gartenwirtschaft des Restaurants Schützenhaus in Reinach und schaute mir mit Adrian Krenn, dem Freund der Wirtin Annemarie Gloor, die Augen wund.

Aus jedem zweiten Auto, das neben uns am Waldrand vorbeifuhr, dröhnte „Un estata italiana“ von Gianna Nannini und Edoaro Bennato.

Meist waren wir alleine. Die anderen Leute hatten Gescheiteres zu tun, als stundenlang mit anderen vor dem TV in der Beiz zu sitzen. Der Begriff „Public viewing“ existierte noch nicht. Grossleinwände gab es nur im Kino. Dass die Menschen ihre Telefone dereinst in der Hosentasche mitführen würden: undenkbar. Internet? Zukunftsmusik. Wer wissen wollte, was von wem gegen wen wie gespielt wurde, guckte unbehelligt von Werbepausen fern, las eine der vielen, vielen Bezahlzeitungen oder hörte Radio.

Roger Milla, Rudi Völler, Frank Rijkaard, Marco van Basten, Salvatore Schillaci, Ruud Gullit: Das sind die Namen, die mir beim Stichwort „Italia 90“ spontan in den Sinn kommen. Und jener von Franz Beckenbauer natürlich, der nach dem deutschen 1:0-Sieg im Finale gegen Argentinien sagte, jetzt sei (das soeben wiedervereinigte) Deutschland „über Jahre hinaus nicht zu besiegen“. Diese Bemerkung geisselte ich mit einem gehässigen Kommentar im Wynentaler Blatt; ob Beckenbauer meine Kritik je wegstecken konnte, habe ich nie erfahren.

Es war ein – wie mir damals schien – unendlich langer und unfassbar schöner Sommer.

Wenig später war Adrian tot. Annemarie gab das „Schützenhaus“ auf und verschwand von meinem Radar. Ich habe keine Ahnung, was aus ihr geworden ist.

Fussball-Weltmeisterschaften waren für mich nachher nie mehr dasselbe. Natürlich: Das Spiel fasziniert mich nach wie vor. Und ja: Ich mag den Deutschen immer noch jeden Gegentreffer und jeden Bänderriss gönnen und klar: Die Brasilianer sind die Besten, mit Abstand, vor allen anderen Südamerikanern und den Portugiesen.    

Aber der Zauber – der ganz grosse Zauber ist verflogen. Fussball ist zu einem jederzeit überall konsumierbaren Produkt geworden; wenn ich will, kann ich mir auf meinem Handy in diesem Moment die Aufzeichung eines Spiels in Weissrussland anschauen. Oder die Wiederholung des WM-Achtelsfinals in Italien.

Nur: Ohne Adrian und sein „gib en use! Gib en doch use!!“, ohne Annemarie und ihre Pommes-Frittes, ohne den alten Fernseher in der Laube und ohne dieses eine Lied, das in dreieinhalb Minuten zusammenfasste, was Millionen Menschen wochenlang fühlten, fehlt einfach etwas. Die Magie. Es ist alles so beliebig geworden. So durchorganisiert. Und so selbstverständlich.

Das Wää-Buch

Der Titel war Programm: Zu ihrem 70. Geburtstag schenkte ich Mamma mia den Krimi  “Ein guter Sohn”.

Den Inhalt des Buches kannte ich nicht. Aber ich wusste, dass meine Mutter Mord- und Totschlagliteratur genauso leidenschaftlich verschlingt wie Armin Meives die Extremitäten seiner Internet-Bekanntschaften.

Wenig später erreichten mich sms, mit denen mich die Beschenkte sinngemäss dahingegend orientierte, das sei jetzt schon ziemlich Wää und kaum zum Aushalten und, kurz zusammengefasst, etwas vom Schlimmsten worüber ihre schon an allerhand gewöhnten Augen je geschweift seien. Natürlich las meine Mutter das Buch trotzdem fertig. Oder genau deshalb.

Nun habe auch ich mich durch den Roman gekämpft. Wobei: “gekämpft” trifft es nicht ganz. Die Geschichte um einen moralisch nicht übertrieben gefestigten jungen Mann, der sich an all den Menschen, die seiner Mutter Zeit ihres Lebens nicht die gewünschte Aufmerksamkeit entgegenbrachten und von ihm deshalb auf höchst unterschiedliche Weisen aus dem Weg geräumt werden, hat mir, um es zurückhaltend zu formulieren, durchaus zugesagt.

Ich mag hier nicht in die Details gehen; vielleicht lesen ja auch Kinder mit. Deshalb nur  soviel: Einer jungen Frau bricht der Junior mit einer Zange die Finger- und Fussnägel ab; dann lässt er sein Opfer im finsteren Keller verdursten. Einem Nachwuchsreporter amputiert er, auf jegliche Narkosemittel verzichtend, mit einer Motorsäge die Handgelenke und verlötet die Stümpfe mit einem Bunsenbrenner, damit der ignorante Journi nicht zu schnell ausblutet und stirbt. Einer ehemaligen Rivalin seiner Mutter stülpt er einen Plasticsack voller hungriger Maden über den Kopf.

Das alles ist sehr flott und anschaulich beschrieben, wirkt in sich logisch und liest sich in einem Schnuuz durch. Aber, eben: Ich habe das Buch ja nicht zu meinem Vergnügen gekauft.

Nach diesem Flop bin ich schon jetzt am Überlegen, was ich meiner Mutter im November auf den nächsten Geburi schenken könnte. Mein Mailfach ist ab sofort für Tipps geöffnet.

Ich rate dringend, der Angelegenheit die nötige Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen.

Nur her mit dem Russen

Ein

und

aus einem

:

Das gabs gestern bei einem befreundeten Paar in Zuchwil zum Znacht.

Darüberhinaus hatte sich der Hausherr die Mühe gemacht, einen russischen Salat zuzubereiten zu komponieren, der mit dem Zeug aus der Dose

soviel zu tun hatte wie Wladimir Putin mit der Demokratie.

Ich mag mich nicht episch darüber auslassen, wie wunderbar das und die darauf folgende Zwetschgencrème samt  Schoggitorte geschmeckt haben; es wäre sinnlos, hier zu einer Eloge über das zarte Fleisch, den den Gaumen gleichzeitig schmeichelnden und kitzelnden Fonds oder die auf den Punkt gegarten Bohnen und die perfekt durchgekochten Härdöpfel auszuholen, weil jemand, der nicht das Vergnügen hatte, dieser Offenbarung teilhaftig zu werden, ohnehin kaum nachvollziehen könnte, was ich meine; denn anders als bei Pablo Picasso oder Wolfgang Amadeus Mozart fusste der Genuss bei Benno Kislig und Susanne Weber primär auf olfaktorischen denn auf optischen oder akustischen Reizen, was es fast unmöglich macht, das Erlebnis in Worte zu fassen.

Drum, in aller Kürze: Ich war noch nie so froh über ein totes Schaf wie am Pfingstsamstag 2010.

Während mein Magen noch immer damit beschäftigt ist, all die Leckereien zu verdauen (und noch nicht weiss, dass er in wenigen Stunden erneut bis zum Rand gefüllt wird; dann mit dem tierischen Inventar eines mittelgrossen Bauernhofs), frage ich mich, wieso wir im Militär

und im Zivilschutz

immer so erbittert geübt haben, den Russen

zu bekämpfen. 

Kochen kann er jedenfalls (und schreiben auch

,

vom Tennisspielen

gar nicht zu reden, aber darum geht es jetzt nicht).

Kulinarisch, literarisch und sportlich betrachtet und beim Gedanken daran, was andere Migranten Tag für Tag ohne den Schatten eines schlechten Gewissens als Essen verkaufen, hätte man ihn ruhig hereinbitten können, statt ihn jahrzehntelang mit allen Mitteln

daran zu hindern, Schweizer Ställe, Felder und Küchen zu betreten.