Es geht wieder dem Ende zu

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Mitte November 2016: In der Superior Executive-Lounge von Hofstetter Kommunikation höckeln Verwaltungsratspräsident Hofstetter, Firmengründer Hofstetter, Inhaber Hofstetter und Geschäftsführer Hofstetter, um salzgebäckmampfend und mineralwassernippend die nähere Zukunft einzufädeln.

Hofstetter: „Ich weiss, dass die meisten von euch Sitzungen nicht besonders mögen, und mir ist auch klar, dass ihr alle noch anderes zu tun habt, aber…“

Hofstetter: „…eine Whatsapp-Gruppe wäre für solche Fälle eine gute Idee.“

Hofstetter: „Whatsapp? Du bist bei Whatsapp?!?“

Hofstetter: „Du nicht?“

Hofstetter: „Wer von euch ist bei Whatsapp?“

Hofstetter: „Ich.“

Hofstetter: „Ich. Und bei Linkedin bin ich auch, und ausserdem bei Xing, Instagram, Twitter und Google Plus.“

Hofstetter: „Welche Ehre! Ich sitze neben dem weltweit einzigen Menschen mit einem Google Plus-Account!“

Hofstetter: „Alle whatsappen. Whatsapp ist das neue Facebook.“

Hofstetter: „Mir ist das zu blöd. Ständig machts ‚Ping‘, und dann ist es doch nur ein Filmli.“

Hofstetter: „Jedenfalls: Wir müssen planen.“

Hofstetter: „‚Ca plane pour mois‘! Kennt das noch jemand?“

Hofstetter: „Was ist das?“

Hofstetter: „Punk. Von Plastic Bertrand. Franzose. 1977. Moment…“ (hebelt an seinem Handy herum) „…et voilà:“

Hofstetter: „Heiterefahne!“

Hofstetter: „Punk von einem Franzosen. Es wird immer besser.“

Hofstetter: „Wie gesagt: Ist schon lange her.“

Hofstetter: „Hat der sonst noch etwas gemacht?“

Hofstetter: „Das war glaub alles. Er kam, sang und versiegte.“

Hofstetter: „Wie Samantha Fox mit ihrem ‚Touch me‘.“

Hofstetter, Hofstetter und Hofstetter: „Hast du das auch?“

Hofstetter: „Klar“ (tippt erneut auf seinem iPhone herum):

Hofstetter: „Samantha Fox! An ihre Augen werden die Leute sich noch in zehntausend Jahren erinnern.“

Hofstetter: „Ich weiss gar nicht, ob dieser Plastic noch lebt.“

Hofstetter: „Leute, die solche Musik machen, werden in der Regel nicht besonders alt.“

Hofstetter: „Wieso meinst du?“

Hofstetter: „Leonard Cohen, David Bowie, Joe Cocker…muss ich noch mehr aufzählen?“

Hofstetter: „Du vergleichst Cohen, Bowie und Cocker jetzt aber nicht ernsthaft mit dem Franzosen, oder?“

Hofstetter: „Rocker ist Rocker, und Sex and Drugs sind Sex and Drugs.“

Hofstetter: „Cohen war kein Rocker.“

Hofstetter: „Soso. Was dann?“

Hofstetter: „Könnten wir jetzt vielleicht langsam…?“

Hofstetter: „Ein Barde. Leonard Cohen war ein Barde.“

Hofstetter: „Hört, hört! Ein Barde.“

Hofstetter: „Dann halt ein Liedermacher.“

Hofstetter: „Singer/Songwriter sagt man dem heutzutage.“

Hofstetter: „Klugscheisser.“

Hofstetter: „Bardesingersongwriter…ist doch egal. Er war ämu kein Franzose.“

Hofstetter: „Wie ihr wisst, neigt sich auch dieses Jahr schon wieder dem Ende zu. Drum…“

Hofstetter: „…Hofstetter hat gesagt, dass ’solche Leute‘ nicht alt werden. Nur fürs Protokoll: Cohen gehört für mich nicht zu ‚diesen Leuten‘. Abgesehen davon wurde er sehr alt, und Bowie und Cocker waren sozusagen auch schon pensioniert, als sie die Mikrofone für immer abgaben. Das ist schon ein bisschen etwas anderes als bei dem Punk, der übrigens vielleicht noch gar nicht gestorben ist.“

Hofstetter: „‚Protokoll‘ ist ein gutes Stichwort. Wer schreibt heute das Protokoll?“

Hofstetter: „Niemand natürlich.“

Hofstetter: „Was, niemand?“

Hofstetter: „Hat schon jemals jemand eine unserer Sitzungen protokolliert?“

Hofstetter: „Da muss ich nachdenken…“

Hofstetter: „…mach nichts, was du nicht gewohnt bist…“

Hofstetter: „…nein: Ich glaube, von unseren Sitzungen gibt es kein einziges Protokoll.“

Hofstetter: „Ist vermutlich auch besser so.“

Hofstetter: „Item. In sechs Wochen haben wir Silvester. Das heisst…“

Hofstetter: „…’wer jetzt noch kein Chinoise bestellt hat, baut kein Haus mehr‘, wie Einstein in seiner Ode an die Freude geschrieben hat.“

Hofstetter: „Das war Rilke, im Fall, und es ging nicht um Fondue.“

Hofstetter: „Einstein, Rilke…: Hauptsache, kein französischer Punker.“

Hofstetter: „Das Gedicht, das Hofstetter meinte, heisst ‚Herbsttag‘ und geht so…“

Hofstetter: „…wenn du jetzt anfängst, Gedichte zu rezitieren, dann, dann…“

Hofstetter: „…Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr gross. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los….“

Hofstetter: „…ich glaubs einfach nicht…“

Hofstetter: „…Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin, und jage die letzte Süsse in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“

Hofstetter: „Sehr schön, wirklich. Das kann heute kein Mensch mehr.“

Hofstetter: „Was? Dichten?“

Hofstetter: „Gedichte aufsagen, und dann erst noch auswendig.“

Hofstetter: „Ich kann im Fall auch Goethes Glocke!“

Hofstetter: „Die ist von Schiller.“

Hofstetter: „Egal. ‚Fest gemauert in der Erden steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muss die Glocke werden. Frisch Gesellen, seid zur Hand. Von der Stirne heiss rinnen muß der Schweiss, soll das Werk den Meister loben! Doch der Segen kommt von oben.'“

Hofstetter: „A propos ‚von oben‘: Ich habe diese Sitzung einberufen, um mit euch über die Qualifikationsgespräche und das Jahresabschlussessen zu reden, falls das jemanden interessiert.“

Hofstetter: „Das mit dem Qualizeug kannst du vergessen. Ich führe keine Selbstgespräche, und wenn doch, dann sicher nicht mit einem von euch.“

Hofstetter: „Ich auch nicht.“

Hofstetter: „Ich auch nicht.“

Hofstetter: „Gut, dann streichen wir das. Kommen wir zum Essen.“

Hofstetter: „Schon besser.“

Hofstetter: „Letztes Jahr wars irgendwie nicht so der Heuler.“

Hofstetter: „Letztes Jahr habe ich für euch gekocht.“

Hofstetter: „Eben.“

Hofstetter: „Dann gehen wir in die ‚Gedult‘.“

Hofstetter: „Kommt nicht in Frage. Da hatten wir unser Hochzeitsessen.“

Hofstetter: „Und?“

Hofstetter: „Nichts ‚und‘. Ich will mir nur nicht eine wunderschöne Erinnerung durch ein Businessznacht verderben lassen.“

Hofstetter: „Das gibt kein Businessznacht. Das wird total locker vom Hocker, mit den Frauen und allem. Vielleicht kommt noch eine Mundartband.“

Hofstetter: „Ein Singersongwriter aus der Region würde es auch tun. Frag mal die Buchhaltung.“

Hofstetter: „Weitere Vorschläge?“

Hofstetter: „Nein.“

Hofstetter: „Nein.“

Hofstetter: „Aber irgendwo müssen wir doch…“

Hofstetter: „Ich bin dann sowieso nicht hier. In zwei Wochen fliegen wir nach Australien.“

Hofstetter: „Komisch: Wir auch.“

Hofstetter: „Wir auch.“

Hofstetter: „Das hättet ihr auch ein bisschen früher sagen können.“

Hofstetter: „Du hast ja nicht gefragt.“

Hofstetter: „Genau: Du hast nicht gefragt.“

Hofstetter: „Du fragst ja nie. Du schreibst einfach, ‚Sitzung in 30 Minuten!“, und wir müssen dann alles stehen und liegen lassen, um deinen Worten zu lauschen.“

Hofstetter: „Darf ich offen reden?“

Hofstetter: „Tu dir keinen Zwang an. Wir sind hier unter uns. Das ist das Schöne an dieser Lounge.“

Hofstetter: „Also dann: Deine Art, Sitzungen einzuberufen, geht uns auf den Sack. Das sind Marschbefehle, keine Einladungen. Vielleicht hast du es als Whatsappverweigerer noch nicht mitbekommen, aber die Sklaverei ist abgeschafft.“

Hofstetter: „Ich darf das. Ich bin der alleralleroberste Chef.“

Hofstetter: „Aber nur, weil ich diese Bude gegründet habe…“

Hofstetter: „…und sie mir gehört…“

Hofstetter: „…und ich sie führe.“

Hofstetter: „Das kommt nicht gut heute. Das kommt gar nicht gut. Ich spüre negative Schwingungen im Raum.“

Hofstetter: „Du bist der Boss. Du kannst die Sitzung beenden, wann immer du willst.“

Hofstetter: „Stimmt. Zum Beispiel jetzt grad.“

Hofstetter: „Schön, dann machen wir Schluss. Was die Qualigespräche und das Essen betrifft, haben wir ja geklärt, was zu klären war. Offen sind noch die Sachen mit dem Singersongwriter und der Beiz und der ganze Rest, und abgesehen davon habe ich die Rede an die Belegschaft noch nicht ganz fertig geschrieben, aber das kann ich ja in euren Ferien erledigen.“

1 Kommentar

  1. Herrlich verschroben, gutes Sitzungsprotokoll. Plastic Bertrand ist übrigens Belgier. An dem Song hat er nichts verdient, weil er vertraglich über den Tisch gezogen wurde….

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