Wenn ich wissen will, was ausserhalb meiner vier Wände passiert, riskiere ich hin und wieder einen Blick auf die Facebook-Seite „Du bisch vo Burgdorf wed…“.
„Riskieren“ schreibe ich, weil es einem auf diesem Portal ergehen kann wie auf der Autobahn beim Blick aus dem Fenster: Schönes und Grauenerregendes wechseln sich ständig ab.
Je nachdem, wer sich darauf tummelt, finde ich Kurzbeiträge aus dem kulturellen Leben…
…kreative Anregungen…
…oder Sachen zum Lachen:
Gelehgentlich kann ich so gar ettwas leeren:
Wenn es der Seite schlecht läuft, mutiert sie allerdings zum Pranger…
…zum Treffpunkt der Selbstgerechten…
…und zum Kummerkasten für Leute, die das wirklich Wesentliche auch vor dem Hintergrund von über hunderttausend Coronatoten nicht aus den Augen verlieren:
Seit dem Lockdown Mitte März hat sich eine weitere Gruppe dazugesellt: jene der Hobbypolizisten, Privatdetektivinnen und Freizeitschnüfflenden. Je länger der kollektive Hausarrest dauert, desto motivierter schwärmen sie aus, um Nachschau zu halten, obs da draussen auch wirklich vonstatten geht wie verordnet.
Mal geraten die Bonsai-Stasiagenten in unüberschaubare Menschenansammlungen…
…mal enthüllen sie Umweltskandale…
…mal denunzieren sie vom Aussterben bedrohte Lebewesen…
…oder jammern über Jammernde.
Privilegiertere Spione brauchen sich nicht einmal in die freie Wildbahn zu bemühen, um angeblichen Frevlerinnen und Frevlern nachzustellen. Sie gehen ihrer Arbeit trendig von zuhause aus nach:
Weil ich gerade ein Eggeli Zeit hatte, schaute ich mich auf anderen Seiten nach ähnlichen Inhalten um. Lange brauchte ich nicht durch seriöse Onlineportale und obskure Blogs zu surfen: Das Anschwärzen von Mitmenschen scheint für aller Gattig Lüt zu einer echten Alternative zum Fernsehen geworden zu sein.
Beim Sichten der Beiträge fiel mir ein, was mir zwei oder drei Tage, nachdem der Bundesrat die Notlage ausgerufen hatte, vor dem nahen Tankstellenshop passiert war. Ich war gerade dabei, mich mit einem Säckli voller Cola Zero-Büchsen aufs Bike zu schwingen, als eine Frau, die ihren Wagen auftankte, mich tadelnd fragte, was ich „hie usse“ zu suchen hätte.
Zu meiner eigenen Überraschung antwortete ich ihr höflich, ich sei Flüssigproviant für die nächsten Tage posten gegangen und mache mich jetzt huschhusch auf den Heimweg.
Dass der eine oder die andere chly hysterisch auf die neue Situation reagieren würde, war zu erwarten. Das würde sich, dachte ich damals, im Laufe der nächsten Tage von alleine normalisieren. Zuhause angekommen, hatte ich die Sache so gut wie vergessen.
Aber jetzt, wo ich wieder darüber nachdenke, stelle ich mir vor, wie die Frau jeden Tag an einem Waldrand oder vor einen Grossverteiler fährt und dann mit dem durchgeladenen Smartphone im Anschlag Leuten abpasst, die nur kurz frische Luft schnappen oder einkaufen wollen, während ihr Mann mit dem Hund stundenlang der Emme entlangspaziert.
Sehr treffend formuliert Hannes, vielen Dank für den amüsanten Beitrag.
Danke Hannes du sprichst mir aus der Seele…..eigentlich zum brüllen komisch,wenn es nicht so ver….. dumm wäre,was die Menschen sich gegenseitig antun….
Ach, Hannes, ich weiss wieder, weshalb ich vor Monaten das FB deaktiviert habe. Es sind diese Posts, die ich nicht auszublenden schaffe; und mir graut je älter je mehr vor diesem ganzen grossen Zirkus… So bin ich dir – einmal mehr – dankbar, dass du öppe Mal eine Zusammenfassung lieferst. Gehamstert, gefiltert, gehannest, so geht’s.
Danke lieber Hannes für Deinen tollen Text! Habe mich selber schon ertappt, dass es mir nicht passt, wenn ich vom Balkon aus grössere Menschenansammlungen sehe! Aber dann sage ich mir es muss jeder selber wissen was er verantworten kann! Leider gelingt das nicht allen und je länger es so weiter geht desto weniger! Aber die Mehrheit schafft es solidarisch zu sein und das stimmt mich zuversichtlich!