Es nahm mich einfach wunder: Wie erleben Menschen aus meinem Umfeld den Dauer-Hausarrest?
Deshalb bat ich 50 von ihnen, mir in einem Wort zu sagen, was ihnen zum Thema „Corona-Lockdown“ einfällt. Um der Sache einen wissenschaftlich-repräsentativen Anstrich zu geben, schickte ich die Anfrage an 25 Männer und 25 Frauen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten.
Weitere 50 Personen bildeten die Kontrollgruppe und erhielten sie folglich nicht.
24 Frauen und 21 Männer schrieben zurück. Einige reagierten so schnell, dass ich mir lebhaft vorstellen konnte, wie sie in ihrer Halbgefangenschaft fingernägelkauend an ihren Schreibtischen sassen und nur darauf warteten, dass auf ihren Compi ein Fensterchen aufpoppte, das sie dazu aufforderte, etwas – irgendetwas! – zu tun.
Für die vielen Banker aus Nigeria, die die Vermögen von längst verstorbenen Superreichen verwalten, müssten dank Corona goldene Zeiten angebrochen sein: Wenn sie 100 Leuten schreiben, sie hätten auf einem Konto 42 Millionen Dollar gefunden, die sie stante pede dem ahnungslos in der Schweiz lebenden Coucousin des Toten überweisen würden, sobald dieser ihnen die Koordinaten ihres eigenen Accounts plus 8000 Franken geschickt habe, rücken mindestens 90 Adressatinnen und Adressaten ohne lange zu überlegen beides heraus, nur, weil sie so glücklich darüber sind, dass sich endlich wieder einmal jemand bei ihnen gemeldet hat.
Eine Totalkatastrophe scheint der Notstand für niemanden darzustellen. „Unsicher“ oder „verunsichert“, „Gefühlschaos“ und „Längiziiti“ waren die negativsten Ausdrücke bei vier weiblichen Befragten. Drei Männer fanden, die Dauerpause sei „mühselig“ und mache „einsam“ und „unsicher“.
Überraschend viele Teilnehmende gewinnen der aktuellen Lage positive Seiten ab: Sechs Frauen notierten „vollentspannt“, „bereichernd“, „Chance“, „ruhig“, „entschleunigend“ und „GanzOkWüuMirHeiJaAues“, eine verwendete Mary Poppins‘ Lieblingsausdruck supercalifraglisticexpialigetisch (das hat jetzt gedauert, bis das abgeschrieben war; schönen Dank auch) und eine freute sich über „Frühlingsgefühle“. Ihr widme ich diesen Song:
Fünf Männer mögen äbefaus nid chlage: Mit Begriffen wie „ruhig“, „Kreativitätssuperboost“, „Shuggabugga“, „geil“, „Entschleunigung“ und „Entschleufantasierelaxed“ signalisierten sie, dass es keinerlei Gründe dafür gibt, sich um sie Sorgen zu machen.
Die meisten Antworten lassen sich unter „Sowohl-als auch“ verbuchen. „Verrückt“, „Gegenwart“, „Uffffff“, „abwartend“, „nachdenklich“, „Wartesaal“, „surreal“, „aussergewöhnlich“, „Homeofficeschoolendemamahausfrau“ „herausfordernd“ und „ambivalent“ schrieben Frauen; eine stellte, das Thema nur um Haaresbreite verfehlend, fest, sie sei „sommerzeitumstellungsmüde“.
„Eigentlichtiefenentspanntunddochgespanntwasdanochkommt“ (Schlaumeier!) „Stand-by“, „surreal“, „Metamorphose“, „besäuselt“, „esistwieesist“, „abwarten“, „daheim“, „warten“, „zwiespältig“ und „demütig“ verwendeten Männer, um ihre Gemütszustände zu beschreiben.
Der „Stand-by“-Mann kommt von mir das über,
auch wenn der Titel des Hits allem widerspricht, was der Bundesrat und Daniel Koch vom BAG seit Anbeginn der Zeitrechnung Mitte März predigen.
In einem Monat werde ich dieselben Damen und Herren dasselbe noch einmal fragen, und in einem halben Jahr oder so erhalten sie von mir schon wieder und dann hoffentlich bald öppe zum letztem Mal Post.
Mit der „Supercali“-Frau und dem „Metamorphose“-Mann unternahm ich einen zweiten Bummel der Emme entlang. Diese Waggu werden für uns langsam zu einer lieben Gewohnheit, um nicht zu sagen: zu einer kaum mehr wegzudenkenden Tradition. Mir hei no kei Verein, um sie zu pflegen, aber mir ghöre drzue; zu den vielen Leuten nämlich, die es verstehen, ihre massig vorhandene freie Zeit zwischendurch aufs Sinnvollste zu nutzen.
Nicht nur den unermüdlich homeschoolenden Veronikas können wir nach unserem Abstecher ins Freie berichten: der Lenz ist da, und wie! Überall wächsts und blühts und spriessts und knospsts. Die von uns so geschundene Mutter Natur hat alles gegeben, um für uns das Grau des Winters mit allen Farben, die der Regenbogen hergibt, zu übermalen.
Während die Liveticker rund um den Globus die Zahlen der Corona-Toten addieren, zwitschern an den lauschigen Gestaden des Burgdorfer Hausflusses munter die Vögelein in den Bäumen und reiben sich die soeben aus dem Winterschlaf erwachten Bären den Ziger aus den Augen.
Ohne, dass wir uns abgesprochen hatten, schafften wir es über eine Stunde lang, das Thema „Corona“ zu umschiffen. Doch als wir uns vor einer stillgelegten Oberstadtbeiz mit awaytaketer Tranksame von den Strapazen erholten, diskutierten wir auf einmal über die im Herbst stattfindenden Gemeindewahlen – und ehe wirs uns versahen, hatten wir den kleinen Schritt vom Burgdorfer Stapi Stefan Berger zu dessen Amtskollegen Boris Johnson in London getan (an dieser Stelle: good bettering!).
Von dem Moment an war jeder Gesprächsstoff, den wir von den Regalen unserer Gedanken holten, schneller von diesem Virus verseucht, als wir Bap sagen konnten.
Wenn wir am nächsten Dienstag ein paar Momente lang nichts von Corona hören wollen, bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als schweigend zu waggeln und anschliessend in stiller Kontemplation versunken zämezhöckle.