Kaum hat man sich halbwegs daran gewöhnt damit abgefunden, dass mobiltelefonierende Zeitgenossinnen und -genossen auch im Zug und in der Beiz ungeniert Intimstes preisgeben („Bis üüs gits hüt Ghackets mit Hörnli!“), gilt es, sich mit einem neuen Trend zu arrangieren: Immer weniger Menschen besuchen Konzerte zur kulturellen Erbauung. Sie bezahlen 50, 80, 150 oder 200 Franken Eintritt, um sich mit Leuten, die sie seit einer halben Ewigkeit – lies: seit dem allmorgendlichen Schwatz im „Starbucks“ – nicht mehr gesehen haben, zu unterhalten.
Die Begleitmusik liefern zum Teil hochkarätige Künstlerinnen und Künstler, denen spätestens in der Konzertsaison 2013 dämmern dürfte: „Es ist völlig egal, was wir wie spielen. Hier setzt sich sowieso jeder und jede selber in Szene. Aber solange sie uns nicht von der Bühne pfeifen, weil sie ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen, und solange die Gage stimmt, können wir damit leben.“
Menstruationsbeschwerden, die Steuerrechnung, der neue Chef oder die bevorstehende Chriesiernte: Kein Thema ist zu abwegig, um nicht in extenso und coram publico verhandelt zu werden. Und zwar in einer Lautstärke, die es den Umstehenden und -sitzenden verunmöglicht, sich auf das Geschehen auf der Bühne zu konzentrieren.
Ohne Rücksicht auf die schweigende Mehr(?)heit plaudert das Plapperpack vom Intro bis zum Schlussakkord drauflos, was das Zeug hält.
Das Geschehen auf der Bühne ist den kollektiv an Wortdurchfall leidenden Nervensägen egal. Hauptsache, man und frau ist bei was auch immer mit von der Partie. Als Beleg für die Anwesenheit gilt ein eiligst auf Facebook gepostetes Handybildli, das hochgereckte Handys von Leuten zeigt, die chli weiter vorne stehen und ihrerseits hochgereckte Handys fotografieren, mit denen hochgereckte Handys abgelichtet werden.
Sobald das Bild online ist, kann man sich – die Band spielt mit akustischen Instrumenten gerade eine leise Ballade – wieder dem zuwenden, was an diesem Abend wirklich zählt: Der Frage, ob Melanie einen Neuen habe.
Wie sehen das die mitlesenden Künstlerinnen und Künstler? Bekommt ihr mit, wenn im Publikum während eurer Darbietungen geredet wird? Falls ja: Stört euch das? Oder spielt „man“ da routiniert darüberhinweg in der leisen Hoffnung, dass die zahlenden Gäste am nächsten Spielort ein etwas weniger banausiges Verhalten an den Abend legen werden?
Das habe ich letztens im Kino erlebt. An der Leinwand lief ein absoluter Knaller, an Spannung nicht zu überbieten, und in den Reihen dahinter wird geklatscht, getratscht, gesimst was das Zeug hält. Ich meine, die haben sogar auf den Handies gespielt. Schade, den Eintritt könnte man sich sparen, wenn man nicht vorhat der Handlung auf Leinwand / Bühne zu folgen und den Künstlern Aufmerksamkeit zu widmen. Und andere dabei noch stören…
Unglaublich, solches Zeug regt mich auch immer auf. Wenns nicht gerade eine sehr grosse Runde ist, mache ich die Störefriede – man kann diese Genussräubern nicht anders nennen- mit Bestimmtheit darauf aufmerksam, dass es auch Besucher gibt, die das Dargebotene interessiert.
Damit eckte ich schon oft an, aber teli: Die sollen sich sonstwo zum Tratschen treffen und nicht an einem solchen Ort.
Am Allerschlimmsten sind die Leute im Kino, welche alles kommentieren, oder solche, die das Gefühl haben, es gäbe nur sie.
Anstand now – respektiert die Künstler!
Hoppla! Ist das wirklich so schlimm? Ich war dieses Jahr lediglich an einem Konzert im Hallenstadion, aber ich durfte das Konzert ohne die beschriebenen Emissionen geniessen. Und auch bei den Veranstaltungen in unserer kulturfabrikbigla muss ich glücklicherweise solches Verhalten nicht feststellen, unser Publikum kommt der Künstler wegen und hat Anstand und Respekt gegenüber deren Arbeit!
Das im Blog Beschriebene ist typisch für den Wertezerfall und den abnehmenden Respekt gegenüber jeglichem Schaffen (ob künstlerisch oder handwerklich).
Bin gespannt, ob sich Künstler dazu äussern…