Für ihren Töff braucht meine Frau Schilder, und weil ich näher an Strassenverkehrsamt arbeite als sie, und weil ich ein guter Ehemann bin, stehe ich an diesem wunderprächtigen Sommermorgen um 7.25 am Schermenweg 5 in 3001 Bern, um die Nummern abzuholen.
„Dass man hier arbeiten kann…“, denke ich, als ich das Gebäude betrachte. Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern wirkt wie eine dieser Plattenbauten in der ehemaligen DDR, die heute „soziale Brennpunkte“ heissen und die immer in den RTL-Nachrichten kommen; man sieht dann über braunem Gras eine einsame Plasticschaukel schaukeln und hört Nachbarn sagen, das hätte man jetzt wirklich nicht gedacht von dem Toasten, der sei doch immer so ein Lieber gewesen, und auch die Uschi habe selten zu Beanstandungen Anlass gegeben, ausser in den letzten Jahren vielleicht: Da sei ständig das Jugendamt auf der Matte gestanden.
Ein Jugendamt gibts im Strassen- und Schifffahrtsamt nicht. Aber auch so besteht durchaus Anlass dazu, schon beim Betreten des Hauses alle Hoffnungen – Achtung, Wortspiel! – fahren zu lassen: Die Kantonspolizei, die Finanzkontrolle und das Amt für Freiheitsentzug und Betreuung sind ebenfalls darin untergebracht, was bedeutet: Theoretisch könnte man am Schermenweg 5 eine komplette kriminelle Karriere durchlaufen, ohne auch nur einen Fuss nach draussen zu setzen.
Hinter den Schaltern im 1. Stock, wo die Kontrollschilder herausgegeben und zurückgenommen werden, herrscht, was in Büros wie diesen wohl „Hochbetrieb“ heisst: Die Stimmung ist vergleichbar mit der wuseligen Hektik im Schildkrötengehege des Tierparks Dählhölzli.
Nachdem ein Versicherungsvertreter zügig abgefertigt worden ist, bin ich an der Reihe.
Ich knipse mein Hochzeitsgaststrahlen an, grüsse die Frau am Schalter 8 artig, deponiere süüferli den Fahzeugausweis vor ihr auf dem Tresen, biete ihr an, auch noch meine Identitätskarte und den Kaufvertrag für den Töff dazuzulegen, stelle überrascht und erfreut fest, dass meine Sachbearbeiterin offensichtlich finster entschlossen ist, diesen Vorgang noch vor dem Mittagessen abzuschliessen und…
„…da gibt es ein Problem.“ Hinter der Frau saust lautlos ein Behälter durch die Rohrpost von irgendwoher nach nirgendwohin.
„Wirklich? Was für eines?“, frage ich.
„Ihre Frau heisst Desbiolles Hofstetter.“
„Nein. Nur Desbiolles.“
„Desbiolles Hofstetter. Ohne Bindestrich. Das muss auch so im Nachweis stehen“, sagt die Frau, und betont „im Nachweis“ dermassen, dass mir klar wird: Weltweit gibt es kein wichtigeres Dokument als so einen Nachweis. Im Vergleich dazu ist die Bibel ein Jerry Cotton-Heftli.
Aber ich gebe noch nicht auf. Nicht ich. Nicht auf irgendeinem Amt, und schon gar nicht auf diesem.
„Wie gesagt: Meine Frau heisst Desbiolles. Wir haben so geheiratet. Hofstetter heisst sie nur, wenns nicht anders geht, aber in diesem Fall nicht.“
„Desbiolles Hofstetter. Das ist ein Doppelname. Der fehlt hier auf dem Nachweis. Das Hofstetter fehlt.“
„Äh…“
„Wir müssen das so haben.“
„Schön. Und was machen wir jetzt?“
„Am besten ruft ihre Frau bei ihrer Versicherung an und sagt, sie müsse einen neuen Nachweis haben.“
„Wie lange dauert das?“
„Normalerweise nicht lange. Die Versicherung kann den Nachweis elektronisch schicken.“
„Gut. Moment.“
Ich rufe meine Frau an und sage ihr, sie soll ihre Versicherung anrufen und ihr sagen, sie müsse einen neuen Nachweis haben, einen mit Desbiolles Hofstetter, sonst gehe das nicht mit den Nummernschildern für den Töff.
…
…
…
Minuten später teilt mir meine Frau mit, sie habe jetzt mit der Versicherung telefoniert. Der Nachweis mit Desbiolles Hofstetter sei unterwegs.
Ich stelle mich wieder an. Schalter 8 ist inzwischen besetzt. Am Schalter 9 tippt eine andere Frau die Angaben aus dem Ausweis erneut in den Computer. Als sie „Enter“ drückt, wird mir ein bisschen gschmuuch. Wahrscheinlich stimmt jetzt etwas anderes nicht; zum Beispiel die Adresse.
Die Frau wird mir gleich mit aller gebotenen Strenge mitteilen, dass man „alter Markt“ gemäss Paragraf X, Abschnitt Y mit einem grossen A schreibe und nicht mit einem kleinen, aber das sei kein Problem: Ich müsse nur die Burgdorfer Stadtverwaltung anrufen und ihr sagen, sie soll unser Quartier umbenennen. Das gehe fix: Die Stadt könne das auf dem elektronischen Weg erledigen.
Aber nichts dergleichen passiert. Die Frau überreicht mir ein Zettelchen, auf dem eine Nummer steht, und erklärt mir, mir diesem Zettelchen könne ich jetzt dort und dort hingehen und warten, und wenn die Nummer, die auf dem Zettelchen steht (083) an der Wand links oben aufleuchte, würden mir die Schilder ausgehändigt.
Und tatsächlich: Kaum habe ich mich damit abgefunden, auch den restlichen Tag hier zu verbringen, leuchtet die 083 auf. Ich gehe zum Schalter, sage ganz extrem freundlich Grüezi und bekomme die Schilder ohne Weiteres überreicht.
Beim Hinausgehen sehe ich, wie sich ein Mann mit sorgenvoller Miene der Schiebetüre beim Eingang nähert. Ich wünsche ihm stumm, dass er nur beim Amt für Freiheitsentzug und Betreuung vorsprechen muss.
Säg doch ds nächscht Mau „Grüessech“ u nid“ Grüezi“. De berchunsch villäch no es Kafi;)
Das war ja eine richtige Express-Bedienung! Ich kenns da ganz anders und nehme deshalb jeweils gleich Schlafsack, Zahnbürste, Ersatzwäsche und Lesestoff mit…
Auso i weiss nid was dir heit. I gah gärn ids SVA (bi grad letschte Frytig ga ne FU hole). Isch irgendwie charmant-altmodisch-gmüetlech dert. Scho nume die Azeigetafele…. KULTIG *:o)