Vier Stockwerke unter mir grölte jemand ununterbrochen Unzitierbares. Einschlaf-erschwerend kam hinzu, dass sich Denkmaschinen ab einer gewissen Übergrösse – im Gegensatz etwa zur Schweiz – nicht von einer Stunde auf die nächste herunterfahren-lassen. Deshalb lag ich von 21.40 bis 22.50 Uhr wach, aber das störte mich nur peripher. „Wenn die Sonne wieder hinter dem Schloss vüregüxlet, ist Ostermontag, und am Ostermontag muss ich ja nicht arbeiten“, dachte ich, und stand auf.
In dieser Nacht tat ich, was ich schon lange hatte tun wollen: Filme aus meiner Swisscombox wegschauen. Darin hatte sich in den letzten Wochen eine ganze Menge angesammelt: Krimis, Dokumentationen und viele, viele Einzelteile von Serien harrten des Zuschauers, der nicht kam, weil er seine freie Zeit einfach nicht schon tagsüber mit Fernsehen totschlagen mag. Dann schon lieber staubsaugen, bis durch den Holzboden die unter mir liegende Wohnung sichtbar wird.
„Spiel mir das Lied vom Tod“, zwei Folgen „Criminal Minds“, Zusammenschnitte von Konzerten von Bruce Springsteen und Beth Hart sowie ein Blick hinter amerikanische Gefängnismauern: Ich liess nichts aus, oder ämu fast nichts. Die Knastdoku mit Johnny Cash war allerdings ziemlich happige Kost, weshalb ich beschloss, mir zum Zmorge etwas Leichtes zu gönnen.
Sechs Stunden lang waren Covid-19 und der Hausarrest und alles weit weggewesen. Dann startete ich eine Folge von Alf. Es ging darum, dass der putzige Ausserirdische an Weihnachten aus Versehen in ein Spital geraten war, wo er mit einer unmittelbar vor der Geburt stehenden Frau im Lift steckenblieb.
Selbstverständlich half Alf der Dame, ihr Baby zur Welt zu bringen. Doch bevor er das tat, zog er sich um. In dem Wägeli, in dem er sich zuvor versteckt gehabt hatte, kramte er nach passendem Zubehör, und als er wieder auftauchte, holte mich die Fiktion von einer Sekunde auf die andere ins wahre Leben zurück:
102 Episoden wurden zwischen 1986 und 1990 von Alf gedreht, und 30 Jahre später bekomme ich in einer Zeit, in der Schütze vielleicht schon bald vor aller Munde sind, genau jene zu sehen, in welcher er einen Mundschutz trägt.
Is this the real life or is it just fantasy?
So oder so: Es gibt no escape from reality; das sahen Queen und ihrem Gefolge auch die Muppets schon richtig:
Das mit dem Schlafen ist sowieso ein bisschen eine Sache geworden. Corona hat meine innere Uhr dermassen durcheinandergebracht, dass ich bezweifle, ob ich sie je wieder auf die Werkseinstellungen zurücksetzen kann.
Die Wach- und Ruhezeiten gehen so fliessend ineinander über, dass sie sich kaum noch voneinander unterscheiden. Am heiterhellen Tag überfallen mich Müdigkeitskrisen, in stockfinsterer Nacht könnte ich Bäume ausreissen.
Das geht nicht nur mir so: Wenn ich morgens um 2 mit einem Kafi in der einen und einer Zigi in der anderen Hand puurlimunter auf dem Balkon stehe, sehe ich in Wohnungen Licht brennen, in denen um diese Zeit vor dem Lockdown bestimmt nie Licht brannte. Mit senilen Bettfluchten kann das kaum zu tun haben: so lange, wies hinter den Fenstern der Nachbarschaft hell ist, bislet kein Mensch.
Seltsam ist auch: Früher träumte ich meist, als ob ich in einem topmodernen 3D-Kino mit XXL-Leinwand und Dolby Supersurround sitzen würde. Diese tempi sind passati: Mein Kopfkino produziert mehrheitlich Filme, die an Farbintensität und Tiefenschäfte schwer zu wünschen übriglassen. Oft zeigt es sogar nur Schwarzweiss-Streifen.
Inhaltlich gibts weiterhin nichts zu meckern: Die Plots verhäbe, die Handlungsstränge sind halbwegs logisch miteinander verknüpft, das Stammpersonal spielt seine Parts so engagiert wie eh und je, und in 8 von 10 Fällen verkneift es sich die Regie dankenswerterweise, die Geschichte mit einem fiesen Cliffhanger enden zu lassen.
Ein wenig merkwürdig deucht mir, dass immer weniger Nebendarstellerinnen und -darsteller auftreten. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass in meinem richtigen Leben momentan nicht mehr sooo viele Leute aktive Rollen spielen.
Weiter mangelt es den Produktionen zunehmend an nervenkitzelnden Elementen, aber wieso solls in den Träumen auch spannender zu- und hergehen als im wachkomatösen Alltag.