„Stefan Wiesner (…) ist ein Koch von derart aussergewöhnlichem Talent, dass einen sogleich die Superlative anfallen“, urteilte das Nachrichtenmagazin „Facts“ im Oktober 1999.
„Stefan Wiesner ist einer der originellsten Schweizer Köche“, lobte die Berner Zeitung fünf Jahre später.
„Der Künstler, der zu den grossen Köchen des Landes gehört, versteht sich als ein Suchender, als einer, der die Welt verstehen und die Natur begreifen will, der kulinarische und spirituelle Grenzen überschreitet und Räume öffnet“, staunte die Schweizer Familie.
„Stefan Wiesner ist der aussergewöhnlichste Koch der Schweiz und wohl einer der aussergewöhnlichsten Köche weltweit. Seine kulinarischen Kreationen sind so unvergleichlich, dass sich die Testesser des Gault Millau lange nicht einig waren, wie sie ihn einschätzen sollen“. notierte der „Beobachter“.
Die Luzerner Zeitung fragte: „Ein Poet der Küche oder ein Wichtigtuer? Genie oder Wahnsinniger?“
„Künstler“, „Magier“, „Alchemist“, „Hexer“: Wenn Journalisten aus dem In– und Ausland versuchen, das Wesen und Wirken von Stefan Wiesner zu beschreiben, greifen sie gerne auf Begriffe aus der Kunst und der Mythologie zurück. Richtig fassbar wird der Spitzenkoch (17 Gault Millau-Punkte, 1 Michelin-Stern) und Buchautor, dem das Schweizer Fernsehen schon eine DOK-Sendung gewidmet hat und der auch von diversen anderen TV– und Radiostationen porträtiert wurde, trotzdem nicht.
Wiesner hat dafür Verständnis: „Es dauert seine Zeit, bis ein Gourmet versteht, dass ein mit dem Rost von Nägeln versetztes Büffelmilcheis ebenfalls eine Delikatesse sein kann.“
Beim Versuch, Wiesners Arbeit (oder „Arbeit“) einzuordnen, sind nun auch wir gescheitert.
Sehr gespannt und mit einem 380 Franken-Gutschein für ein sechsgängiges Gourmet-Menü in der Tasche, steuerten wir gestern Abend das „Rössli“ in Escholzmatt an. Nachdem wir die sehr normal wirkende Gaststube durchquert hatten und im heimeligen Stübli von Stefan Wiesner willkommen geheissen worden waren, harrten wir der kulinarischen Dinge, die da unter dem Motto „Chue am Waldrand“ (siehe Bild oben) kommen würden.
Um es kurz zu machen (was es aber vermutlich sowieso nicht werden wird): Was uns in den folgenden drei Stunden aufgetischt wurde, lag jenseits von allem, was wir je gegessen hatten: Zur Vorspeise gab es – nebst anderem – eine durch Heu gesiebte Kraftbrühe aus Schneewasser und Kuhfleisch, ein Stück Rindsheuwurst, gebratenen Frischkäse mit Rapskernen, gewürzten Schnee mit Wachholderdestillat, Wachholdernadeln, Weizengras und karamellisierte Kuh-Kondensmilch.
Weiter gings mit Aspik aus gesottenem Muniherzen mit Apfelholzessig und Lorbeer, gegartem Aaal, getrockneten Mistelblättern und einem Apfelholz-Sauerrauhm-Eis. Der dritte Gang bestand aus haschiertem Rinderherz, einer Tapenade aus Steinpilzen und Totentrompeten, frittierten Geweihflechten von der Rottanne sowie einer Symbiose aus Algen und Pilzen. Anschliessend gabs Schokoladeküchlchen aus dem Walzgut der Maracaiba-Kakaomasse und Zucker, bretonisches Meersalz, Schaum aus Kuhmilch, gedünstete Topinampur-Nüdelchen, geröstete Haselnuss-Spickel und eine Sauce aus Hegebutte.
Der Hauptgang – als fünfter Menüpunkt – setzte sich zusammen aus Kalbsfilet mit fermentiertem Gras, überglänzt mit einer Sauce aus Kalbsjus, Frank-Aroma, Blütenpollen, Blütenhonig und Bienenwachs, Kalbsnierenfett und geröstetem und gemüsertem Kreuzkümmel, Kalbsmile im Macisblüten-Fond, rohem Sauerkraut aus Blaukraut und Galgant, gebackenem Federkohl, Schlehdorn-Culis und einer gemahlenen Tarafrucht.
Zum Dessert schliesslich – wir waren eigentlich längst pappsatt – servierten uns die ebenso kompetenten wie zuvorkommenden Mitarbeitenden eine Glace aus Orangensaft, Orangenlikör und Kuhbutter, Blutorangensauce, gebackene Krapfen mit Zitronenblättern, Zuckerrübenwürfel, Limetten-Zesten, Mispeln-Pastillen, gemahlene Färberdistel und Kuh-Rohmilchgelee.
Auf den abschliessenden Gang zum wohl weltgrössten Käsebuffet verzichteten wir. Auch wenn die sechs Gänge nicht übertrieben üppig wirkten – mehr konnten wir einfach nicht essen. Und irgendwie wärs auch schade gewesen, diese fantastische Reise durch eine uns völlig neue Welt mit so etwas Profanem wie einem Stück Käse abzuschliessen.
Als wir, noch mit dem Geschmack eines Torf-Pralinés im Gaumen, wieder vor dem „Rössli“ standen, wussten wir kaum, wie uns geschehen war. Einerseits haben wir das Gebotene sehr genossen. Wir empfanden es als überaus interessant, einmal zu sehen und spüren, was sich aus und mit echten Naturprodukten alles anrichten lässt.
Andrerseits…nun ja. Manches erschien uns halt doch chli gewöhnungsbedürftig. Hin und wieder wars des Guten – oder des Chichi – etwas zuviel. Wahrscheinlich rührte unsere Irritation daher, dass wir mit der Vielfalt an Sinneseindrücken schlicht überfordert waren.
Nichtsdestotrotz empfehlen wir Wiesners Hexerhaus experimentierfreudigen Gourmets gerne weiter – wenn vielleicht auch weniger als Schlemmertempel, sondern vielmehr als Oase der gastronomischen Sinnlichkeit.