„Und? Nervös?“

„Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus“: Wer hat eigentlich diesen Spruch geprägt? Und warum? (Aha: Der schottische Dichter Thomas Campbell. Um zu veranschaulichen, dass die tief stehende Sonne des Lebensabends seherische Kraft verleiht. Man lernt nie aus.)

Wenn ich – soweit möglich; das meiste ist ja top secret – auf unser grosses Ereignis blicke, sehe ich nur Licht. Und zwar nicht ein künstlich grelles, sondern ein natürlich helles.

Seit ein paar Tagen höre ich immer wieder dieselbe Frage: „Und? Nervös?“ – Ich antworte darauf jedesmal dasselbe: „Nein. Warum auch? Es ist ja alles tiptopp eingefädelt.“

Das ist, zugegeben, nur die halbe Wahrheit. Nervös bin ich zwar tatsächlich nicht. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass am Tag X alles rundestens laufen wird.
Aaaaaber: Das sage ich jetzt. Wie es am Freitag in mir aussehen wird? Niemand weiss es.

Doch manche ahnens: „Vor meiner Hochzeit war ich total entspannt. Kaum hatte ich das Zivilstandsamt betreten, wars damit vorbei. Ich war aufgeregt wie noch nie“, erzählte mir ein Freund. Ein anderer wurde in dem Moment von einem akuten Nervositätsschub ereilt, als er den Kittel seines Anzuges zuknöpfte. Ein Kollege glaubt, dass es von der Sekunde an, in der man am Hochzeitsmorgen den ersten Kaffee trinkt, „kaum mehr auszuhalten“ sei. Nicht wenige gehen davon aus, dass ich in der Nacht vor der Hochzeit kein Auge zutun werde („und in der Nacht danach sowieso nicht, höhöhö“).

„Qui vivra, verrà“, sagte meine Grossmutter immer. Sie sah das bestimmt auch in diesem Punkt richtig.

Erstaunlich ist: Normalerweise werde ich immer leicht rumpelsurrig, wenn ich fünfmal das Gleiche gefragt werde. Mit dem „Und? Nervös?“ ist das etwas ganz anderes. Ich höre es auch zum Zwanzigstenmal gerne. Für mich sind die zwei Worte das Zeichen dafür, dass sich mit uns sehr viele Leute auf unseren Tag freuen.

Ich fühle mich – Achtung, Pathos! – getragen von zig Menschen, die mir seit Jahren nahestehen, und von Zeitgenossen, die ich mir bis vor Kurzem kaum als Träger hätte vorstellen können. Diese Unterstützung zu sehen, zu hören und zu spüren: Das ist wohl eine der schönsten Erfahrungen, die mann und frau machen dürfen, bevor sie zueinander Ja sagen.

Jedes einzelne „Und? Nervös?“ sagt mir, dass es keinen Grund gibt, nervös zu werden.

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