„Manchmal ist es hier schon schier ein Gjufel“

„Dickschädelig, besserwisserisch, engstirnig – aber wärchig!“: Mit diesen Worten charakterisiert Peter Leu, der Intendant der kulturfabrikbigla, seinen neuen Gehilfen Aschi Rüegsegger. Dieser erlebt am 8. Februar mit der „Revue für einen Bühnenarbeiter“ seine „Stärnstund“. Obwohl er bis weit über die Mützenspitze hinaus mit Büez eingedeckt ist, nahm sich der Eggiwiler Bauer, Kleinsägerei-Betreiber und Gelegenheits-Tookmaschter Zeit für ein Gespräch über Künstler, Computer, Vrene und Stühle.

Im Internet…

Aschi Rüegsegger: …dieses neumödige Zeug, für das man einen Computer braucht…

…genau. Im Internet…

…so etwas käme mir dann gar nicht öppe ins Haus. Meine Vrene stürmt schon lange…

…aber einen Computer gibts bei Rüegseggers daheim trotzdem nicht.

Nenei.

Jedenfalls: Im Internet kann man ein Bild von dir sehen. Es zeigt dich in der kulturfabrikbigla, inmitten einer dicken Rauchwolke. Was war da los?

Ach. Der Leu (Aschi meint Peter Leu) sagt immer nur, „Aschi mach dieses, Aschi mach jenes“. Kürzlich gab er mir ein Büchlein mit dem Titel „Es werde Licht“. Das ist so ein Schnellkurs für Beleuchter – als ob ich die Zeit hätte, da stundenlang herumzulesen.

Also hast du einfach mal drauflos gfuuschtet – und schon hats gequalmt.

Das Licht brennt jetzt ja. Und es steht noch alles.

Was hat der Chef dazu gesagt?

Der soll froh sein, wenn einer chli öppis macht hier. Er selber kommt ja hinten und vorne nicht nach mit der Arbeit.

Und du? Kommst du nach? Du bist Bauer, hast eine kleine Schreinerei, bist zwischendurch Tookmaschter – und jetzt noch dieser Job im Theater. Wird dir das mit der Zeit nicht zuviel?

Es ist so: In einer Sägerei hat man im Winter viel weniger zu tun als im Sommer. Deshalb sagte meine Vrene im letzten Herbst, „frag doch mal den Leu, ob er dich in den nächsten Monaten ein bisschen beschäftigen könnte“. Ich bin ja eben manchmal Tookmaschter, draussen im Foyer. Ich gehe hier ein und aus. Der Leu hatte sofort Arbeit für mich. Und jetzt bin ich für ihn eine Art Knecht.

Was genau steht in deinem Pflichtenheft?

Ich weiss gar nicht, wo anfangen. Ich baue die Bühne auf, was nicht einfach ist, denn einmal muss sie grösser sein und einmal wieder kleiner, und wenn man meint, man sei endlich fertig, kommt garantiert der Schauspieler oder der Musiker, der am Abend draufsteht, und sagt, sie müsse jetzt doch kleiner sein oder grösser. Abgesehen davon montiere ich die Lampen da oben, was ebenfalls sehr difisil ist, weil jede einzelne Lampe noch extra mit einem Ketteli gesichert werden muss, damit sie nicht runterfällt, obwohl ich doch weiss Gott weiss, wie man eine Schraube anzieht, damit sie hält. Weiter putze ich die Toiletten oder stelle die nummerierten Stühle der Reihe nach im Saal auf. Das war übrigens noch lustig: Ganz am Anfang, als ich hier angefangen habe, stellte ich die Stühle einfach so hin, wies grad kam. Die Leute mit reservierten Plätzen mussten schön suchen, bis sie wussten, wo sie abhocken können.

In einem Satz: Ohne dich läuft hier nichts.

Das ist so. Ich sage immer: „Nicht verzagen, Aschi fragen.“

Pesche Leu…

… der ist ja nie da. Wenn man ihn braucht, hängt er am Telefon oder fährt durch die Weltgeschichte. Der denkt, jetzt, wo er den Aschi hat, müsse er sich um gar nichts mehr kümmern.

Aber bezahlt er dich wenigstens anständig?

Chasch dänke. Wenn mir Vrene nicht jeden Morgen ein Eingeklemmtes zwägmachen würde und eine Guttere heissen Tee – ich würde verhungern. Mit diesem Löhnli kann ich unmöglich allpott im „Bären“ Zmittage.

A propos Vrene: Was sagt sie zu deinem Nebenjob?

Die ist glaub ganz froh, wenn ich nicht allzu häufig in unserer Stube herumstürme.

Was hats du eigentlich für einen Bezug zur Kultur? Gehst du noch in anderen Theatern ein und aus?

Nicht unbedingt. Vrene hauts allpott nach Bern, ins Stadttheater. Sie hat da so ein Abonnent. Dann muss ich halt öppemau mit. Aber sonst, selber? Ich singe noch gerne, beim Melken oder so. Als Kind machte ich bei den Krippenspielen mit. Und in der Musig bin ich auch, schon seit vielen Jahren; in der Musikgesellschaft Eggiwil.

Was spielt du da?

Euphonium. Weiss du, was das ist?

Ja.

Das ist das mit dem Trichter nach oben. Das mit dem Trichter nach vorne ist das Sousaphon. Das spielt der Gräppi Christian. Er sitzt in der Musig direkt neben mir. Ja…und einmal im Jahr haben wir halt unser Jahreskonzert mit Theater. Aber das Theater ist nicht so modernes Zeug. Wir spielen anständige Sachen. „Der Blitz in der Bettstatt“, zum Beispiel.

Theater gibts jeweils auch im Sommer, auf der Moosegg. Hast du dir das schon einmal angesehen?

Ja, ja. Vrene hat mich mitgeschleppt.

Und? Hats dir gefallen?

Es geht. Es wurde chli viel gestorben, finde ich.

Du hingegen hast es lieber heiter.

Auf jeden Fall. Und vor allem bin ich froh, wenn man nachkommt. Was diese Regisseure manchmal für Ideen haben…das ist nichts für mich.

Peter Leu ist ebenfalls Regisseur. Hat ers im Griff?

Hm. Jetzt muss ich ihm die ganze Halle einrichten, weil er etwas Neues einstudieren will. Er führt glaub etwas mit dem Adrian von Bubenberg auf, samt der Schlacht von Murten und Blutbädern und so. Bis jetzt hat er zwar nur darüber geredet. Aber das wird dann schon gut kommen.

Das Schöne für einen Bühnenarbeiter ist vermutlich, dass er sich jede Aufführung gratis ansehen kann.

Es gibt hier ja alles. Manchmal führt jemand ein Theater auf, manchmal spielt jemand Negermusik, manchmal macht jemand so Sachen…. Meist sehe ich mir das eine Zeitlang an. Nach einem Weilchen gehe ich in den „Bären“ oder ins Foyer an die Bar, zur Frau vom Leu. Das ist noch eine Gäbige. Hin und wieder spendiert sie mir ein Bier. Dann warte ich, bis die Vorstellung fertig ist. Ich muss ja länger bleiben als die anderen; jemand muss am Ende schliesslich putzen und all die Sachen wegräumen. Oft helfe ich auch noch beim Einladen. Es gibt Künstler, die kommen mit ganzen Lastwagen voll Zeug.

Ich sehe: Du bist mit deinem Theaterjob bis zum Anschlag ausgelastet.

Manchmal ist es hier schon schier ein Gjufel; das stimmt.

Ist das für dich eine neue Lebensstelle, oder machst du das nur im Winter?

Ou, nei! Ich bin froh, wenn es mit der Sägerei wieder losgeht. Lange hält man das hier nicht aus. Nur schon das Drinnensein immer. Ich wärche lieber draussen an der frischen Luft.

Z Wärche gibt es in der kulturabrikbigla bald wieder: Am 8. Februar findet eine Première statt…

…wirklich? Davon hat mir Leu noch gar nichts gesagt. Das ist dann wohl eben diese Bubenbergsache.

Nein, nein. „Aschis Stärnstund“; eine „Revue für einen Bühnenarbeiter“.

Henu. Der Leu wird mir schon Bescheid geben. Wahrscheinlich drückt er mir kurz vorher einen Zettel in die Hand, den man kaum lesen kann. Und dann mache ich das Zeug halt zwäg.

Aufführungsdaten

Mittwoch, 8. Februar, 20.15 Uhr (Premiere)
Donnerstag, 9. Februar, 20.15 Uhr
Sonntag, 12. Februar, 17 Uhr
Mittwoch, 15. Februar, 20.15 Uhr
Donnerstag, 16. Februar, 20.15 Uhr
Sonntag, 19. Februar, 17 Uhr
Mittwoch, 22. Februar, 20.15 Uhr
Donnerstag, 23. Februar, 20.15 Uhr
Sonntag, 26. Februar, 17 Uhr

Abendkasse/Barbetrieb ab 19 Uhr (Sonntag ab 16 Uhr)

Eintrittspreise:

Normal: 30.–
Single-, Paar- und Firmenkarte: 15.–
Sitzplätze unnummeriert

Vorverkauf: www.ticketeria.org / 0900 10 11 12 (Fr. 1.19/Min. ab Festnetz)

Seinen nächsten Einsatz als Tookmaschter hat Aschi übrigens am 13. Februar. Ab 19.30 Uhr diskutiert er in der kulturfabrikbigla mit seiner Gaschtig, Burgdorfs Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch und Langnaus Gemeindepräsident Bernhard Antener, unter anderem darüber, welches die echte Hauptstadt des Emmentals sei. Der Eintritt ist frei.

1 Kommentar

  1. Da sieht man wieder mal, welchen Stellenwert Kulturschaffende haben. Interviews werden neuerdings lieber mit dem Knecht geführt, statt mit dem genialsten aller bisherigen kulturfabrikbigla-Intendanten. Aber aufschlussreich ist’s allemal. Endlich erfährt man die abgrundtiefe Wahrheit, wie’s in einem Kulturbetrieb wirklich zu und her geht. Danke Hannes Hofstetter, für dieses entlarvende Interview, das selbst einer Weltwoche gut anstehen würde.

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