„Lucaaaaa, du Schnügel“

(Bild: Hannes Zaugg/z-arts.ch)

Von Zeit zu Zeit gucke ich in den Spamordner dieses Blogs, um die vielen, vielen verlockenden Angebote von nigerianischen Bankern und asiatischen Viagradealern zu löschen.

Am 28. Februar entdeckte ich im elektronischen Abfallkübel eine Zuschrift, die sich von den anderen unterschied. Vermutlich fiel sie mir auf wegen des Betreffs: „Lucaaaaa, du Schnügel“, stand da, worauf ich schloss: Das geht wohl nicht mich an, sondern diesen Luca Hänni aus Uetendorf, über den ich zwei Tage vorher etwas Weniges geschrieben hatte. Offensichtlich war eine junge Frau auf der Suche nach Berichten über ihr 17jähriges Idol in meine virtuelle Stube gestolpert und fest überzeugt davon, dass ich über einen heissen Draht zu dem Maurerstift verfügen müsse, der bei „Deutschland sucht den Superstar“ seit Wochen für Furore sorgt.

Nun: Ich habe Luca Hänni – ausser auf Fotos und einmal in einer dieser Nachrichten-Attrappen auf RTL – nie gesehen. Ich weiss nicht einmal, wo und wie er in Uetendorf lebt. Es interessiert mich auch nicht.

Andere nimmt auch das wunder; jemanden verschlug es im Verlauf einer Google-Suche nach Hännis Wohnhaus in meinen Blog:

Eigentlich weiss ich über Luca Hänni überhaupt nichts – ausser, dass er laut DSDS-Chefjuror Dieter Bohlen „das Zeug zum perfekten Superstar“ hat, weil er „anders singt als andere Menschen“ – und dass er trotz dieser Lobeshymnen nicht zum Abheben neigt.

Kurz darauf fischte ich weitere Hänni-Schreiben aus dem Ghüder. Seither ist kein Tag vergangen, an dem mir nicht unbekannte Menschen eine Nachricht hinterlassen in der Hoffnung, sich auf diesem Weg mit dem Star in spe in Verbindung setzen zu können.

Klammer auf: Die Facebook-Fanseite von Luca Hänni hat über 70 000 Mitglieder. Ich möchte nicht wissen, wie es im Briefkasten von Lucas Eltern Tag für Tag aussieht. Klammer zu.

Bemerkenswert ist (nebst anderem): Die Briefe sind recht kurz gehalten. Wahrscheinlich geht es den Mädchen – unter den inzwischen knapp zwei Dutzend Schreiben war genau eine (1) Zuschrift eines männlichen Wesens – vorläufig nur darum, einen Erstkontakt zum Subjekt ihrer Begierde knüpfen zu können. Vermutlich ahnen sie, dass Luca seine Tage und Nächte momentan nicht am Laptop verbringt, sondern mit Üben, Üben und Üben für die nächste, schon wieder alles entscheidende Show.

Entsprechend geben sich die Damen grosse Mühe, seine Zeit nicht mit endlosen Liebesbriefen zu verplempern. Am Ende könnte ja genau das matchentscheidend sein: Wer sich in den Vielbeschäftigten hineindenkt und Rücksicht auf seine Bedürfnisse nimmt, hat ziemlich sicher bessere Chancen als jemand, der ihn noch vor dem ersten Date mit einem Sattelschlepper voller Pläne für die gemeinsame Zukunft überfährt.

Stattdessen schreiben sie „Bitte sofort an Luca weiterleiten!“ oder etwas Artverwandtes. Dann wirds bisweilen fast poetisch:

– „Immer, wenn ich dich bei DSDS sehe UND ICH SEHE DICH JEDESMAL!!! geht mein Herz auf.“

– „HALT DURCH DU SCHAFFST ES! ICH WEISS ES!“

“ Auch wenn du’s nicht siehst, in Gedanken bin ich bei dir.“

– „Vielleicht schreibst du mir mal wenn alles vorbei ist. Würde mich freuen.“

Und so weiter, und so fort.

„Ich will ein Kind von dir“ hat übrigens niemand geschrieben. Ich stelle fest: Wer für Luca Hänni schwärmt, verfügt über ein Mindestmass an Anstand und Respekt. Oder ist noch zu jung, um an Söttigs zu denken.

Weil ich als einst glühendster Anhänger von Abba mühelos nachfühlen kann, was sie umtreibt, schrieb ich Mia aus Aschaffenburg und all den anderen Verehrerinnen und dem einen Verehrer ein paar Zeilen zurück. Ich teilte ihnen mit, dass sie bei mir leider an der falschen Adresse seien und riet ihnen, ihre Post direkt an die Grundy Light Entertainment in Köln zu schicken (diese Adresse habe ich im Netz gefunden; ich hoffe, sie stimmt). Ich gehe davon aus, liess ich die Teenager wissen, dass die Leute dort ihre Texte an Luca weiterleiten würden, irgendwann (wobei: „irgendwann“ schrieb ich natürlich nicht. Ich bin nicht der Typ, der mit Nagelschuhen auf zum Zerreissen angespannten Seelenteppichen herumtrampelt).

Aber sehr wahrscheinlich landet ab heute sowieso – wenn überhaupt – immer weniger H-Post bei mir. Wie ich einer Geschichte auf meinem Lieblings-Onlineportal entnehmen konnte, kümmert sich inzwischen auch seine Heimatgemeinde um die logistische Bewältigung der Mailflut.

Wer dem wohl prominentesten Uetendorfer aller Zeiten schreiben will, schickt einfach eine Karte/einen Brief/etwas Selbstgebackenes/Teile ihrer Unterwäsche  an

Luca Hänni

CH-3661 Uetendorf.

Oder eine Mail (dann halt nur mit Bildern) an luca.haenni@uetendorf.ch

Auf diese Weise wollen die Behörden nicht nur dem wachsenden Heer von Hänni-Anhängerinnen und -Anhängern eine virtuelle Anlaufstelle bieten.

„Im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ möchte die Gemeinde vor allem die Familie von Luca Hänni unterstützen und ihr dabei helfen, „einen Rest von Privatsphäre“ zu wahren.

Letzteres dürfte in diesen turbulenten Zeiten wohl schwieriger sein, als das Finale von „DSDS“ zu gewinnen.

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