Inselleben (V)

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Tag 4, irgendwann

Der senegalesische Sonnenbrillenverkäufer am Strand unten sah, wie alle senegalesischen Sonnenbrillenverkäufer am Strand unten, vertrauenswürdig aus. Es gab für mich folglich keinen Grund, ihn heute Morgen (oder vor zwei Tagen? Oder vor fünf Monaten?) nicht nach dem Weg zur Kirche zu fragen. Der Tag, an dem ich ihn fragte, wo die Kirche sei, muss also ein Sonntag gewesen sein, denn am Sonntag gehe ich immer zur Kirche, ausser, wenn ich nicht gehe.

Irgendwie bin ich froh, das noch zusammengebracht zu haben. Es spielt am Schluss vermutlich keine Rolle, wie alles andere auch, aber jetzt weiss ich immerhin, dass die Geschichte, die ich gleich zu erzählen versuchen werde, an einem Sonntag und nicht an einem Montag begann, und das gibt ihr irgendwie etwas…wie soll ich sagen?…Feierliches.

„No Taxi! Gangsta!“, warnte mich der Sonnenbrillenverkäufer, nachdem ich mich vorgestellt und ihm mein Ansinnen vorgetragen hatte. Zu Fuss zur Kirche zu gelangen, sei „no problem“, versicherte er. „Go left, left, right, left, right, right, up, change street, go left again, down, right, no, sorry: left, right, left, left.“

Dazu machte er Handbewegungen, die Skirennfahrer kurz vor dem Start machen, wenn sie die Strecke geistig bewältigen, bevor sie in den Abgrund sausen. Um dem Afrikaner meinen Respekt zu zollen und als Zeichen des Verstehens und Dankens nickte ich auf Senegalesisch. Dann marschierte ich voller Zuversicht, bald in der Kirche zu sitzen, nach left davon.

Und jetzt? Jetzt stehe ich hier, mitten in der Wüste. Unter mir glüht der Sand, über mir gleisst die Sonne, und in mir macht sich langsam ein Gefühl breit, das ich mit „totale Hoffnungslosigkeit“ beschreiben würde, wenn denn jemand da wäre, dem ich es beschreiben könnte. Aber es niemand da, ausser mir und ein paar Geiern, die jedesmal, wenn ich in die Höhe gucke, grösser zu werden scheinen, aber das kann natürlich auch täuschen.

Im Moment beschäftigen mich drei Probleme. Ich habe

1. keinen Strom,
2. kein Wasser

und muss

3. dringend go bisle.

Die Dringlichkeit wechselt allpott, weshalb ich darauf verzichtet habe, die Sorgen zu nummerieren. Wir sind hier sowieso nicht in der Hitparade, sondern, wie ich glaub schon erwähnt habe, in der Wüste oder, wie der Franzose sagt, „in the middle of nowhere“, was Verschiedenes chli verkompliziert; vor allem mein Leben.

Ganz schlimm ist die Sache mit dem Bisle. In den Millionen von Jahren, die nach der Gründung dieser Wüste ins Ödland gezogen sind, ist es offensichtlich noch keinem Menschen in den Sinn gekommen, hinter einer der zahllosen Dünen eine Toilette hinzustellen für den Fall, dass ein Kirchgänger mit einer platschvollen Blase vom Weg abkommt und sich mir nichts, dir nichts in einem gigantischen Sandkasten wiederfindet, der keinen Anfang hat und kein Ende.

Wenn das nicht zum bitterstmöglichen Lachen ist – was dann?

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Genau: Das mit dem Strom. Es gibt hier Sonne bis an den nicht vorhandenen Bach abe, aber trotzdem weit und breit keine Solarzelle, an der man einen Laptop einstöpseln könnte, um sich ein paar You- oder Porntube-Filmchen reinzuziehen oder ein bisschen facezubooken oder einfach mal unverbindlich die Rega anzumailen und zu fragen, wie das sei: Angenommen, man habe einen Kollegen, der gerade dabei sei, in der kanarischen Wüste zu sterben. Weiter angenommen, dieser Depp habe vor den Ferien vor lauter Packen vergessen, seinen Jahresbeitrag einzuzahlen – ob so einer, rein theoretisch natürlich, eigentlich auch mit dem Heli geholt würde, oder ob man den einfach verräblen liesse, bis er das Geld überwiesen hat?

Am Elendesten ist inzwischen das Wasserproblem geworden (vorher wars noch das mit dem Bisle, ich weiss. Aber wie ich schon sagte: Das ändert laufend). Ich würde inzwischen jedes Wasser trinken, auch solches, das direkt aus der Kläranlage kommt, oder aus der Toilette (Mist: Das hätte ich jetzt besser nicht geschrieben. Ist das zu glauben, Ladys and Gentlemen in der Desert-Arena und zuhause an den Fernsehern? Soeben ist die Bislisache wie gstört am Wasserthema vorbei erneut auf Platz 1 gerast. Mein Gott, ist das spannend heute!) einer Disco in Playa del Inglés, und wenn welches umewäre, gäbe ich mich sogar mit Hahnenwasser für SFr. 2.50 pro Glas zufrieden, aber wenn meine Tante Rädli hätte, wäre sie ein Velo oder ein Leiterwägeli oder, im Optimalfall, ein mobiles WC. Irgendwie müssen diese Hüttli ja vom Rockfestival A zum Schwingfest B transportiert werden, und mit Rädli geht das sicher besser als ohne.

Pf.

Pf. Pf.

Pf.

Stimmt – das mit dem „Pf“ habe ich noch gar nicht erwähnt. Es ist nämlich so, dass mein Gehirn verdampft. Das tut es nicht auf einen Chlapf, sondern ganz langsam, und immer, wenn es in meinem Kopf „Pf“ macht, weiss ich: Jetzt sind wieder ein paar Zellen weg.

Algebra, Mathematik, Geometrie, Geografie, die Feinmotorik, der Orientierungssinn und, glaub, das Gespür für kurze und prägnante Texte haben sich, wenn nicht schon vor Jahrzehnten, dann ganz bestimmt in den letzten Stunden, verflüchtigt und minimunzige Wölklein gebildet. Wenn diese sich an der inneren Schädeldecke entleeren, tröpfelts ein wenig aus den Ohren. Ich habe mir schon überlegt, diese Tropfen aufzufangen, um wenigstens ein bisschen etwas zu Trinken zu haben, aber wenn man nicht Gene Simmons ist und eine Zunge hat, mit der man von Zürich aus Curry in Mumbai probieren kann, nützt alles Herausstrecken nichts: Man schaffts einfach nicht unters Ohrläppli; nicht einmal halb.

Pf.

Das war der Kommasetzsinn. Jetzt wirds heikel jetzt gehts ans Eingemachte wie die Bäuerin ame beim Chütteneschleeabfüllen murmelt und wenn ich nicht grausam aufpasse rinnt mir demnächst auch die Orthografie aus den Ohren und nach ihr die Grammatik und dann guet Nacht am Sächsi oder was auch immer wir dann für Zeit haben ich habe das Zeitgefühl um punkt 15.47 heute Nachmittag oder im Herbst des Jahres 1987 verloren und mein Handy im Hotel vergessen auf dem ich sehen könnte was für, zeit ist (ich glaube jetzt verpffftet gerade die Ordo Orto Orgra das vürs Schreiben hoffentlich teusche ich, mich heieieiei).

Wann wenn nich jetzt ist eine gute gelehenheit um das lehben zu blanzieren moment das dauert nicht lange bin gleich wieder da also mein lehben war gut soweit ich dasss von hir aus beurteilen kann scheisse die geier sind afe weit unten. Ess isst mir zwar nich immer alles inden schos gefallen aber das, macht nichts weil es kann auch huere weetun wenn einam ewtas in den Schos fällt je, nachdäm was es ist, und blözlich muss man im gmischten chohr auf die andere Seitte wächseln weil man als Mann auf einmal so einen schöhnen sobran hat ich habe eienn tollen mann den ich über alles liebe er heist angelika und hatt eine glasse und sieh aus wi bobmarli nur anders. Und was, ic schon immär mahlsagenwolltejetzt kann ich’s jasagen ich bin nicht mahgersüchtig, apsolut nie. Ahrauwirtmeissterahrauwirtmeissterahrauwirtmeisster geegen Gorbaschoff.

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Ichsähe gerade hinter, mier steht 1 Duschsche sie funktioniert mal schauen was, pasiert wenn ich sie anlasse supper sie, läuft aber es kommt nur kalltwasser und das ist eggstremgefehrlich in dieser hize, kaltwasser das, giebt einen Hertschlag und zackbummisstallesvorbei; ist das jetzt schohn der regaheli oder sinnd das immer noch die Geier ist? doch gleich ic.*(%““+)%?%*()(++& , Schäzzu!!!

2 Kommentare

  1. Paradoxerweise ist es erfrischend, hier das, was du dort im hitzewahn schriebst, zu lesen.

  2. De ganz Bricht esch jo weder genial zum Läse, aber da mit de „Angelika“ findi natürli super:-)

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