Im Verborgenen

San Francisco, Los Angeles, San Diego: Nachdem wir die Metropolen an der kalifornischen Westküste hinter uns gelassen haben, sind wir nun in Escondido gelandet.

Bis 2006 kannte Esconcido plusminus kein Mensch, sieht man von den rund 150 000 Leuten ab, die hier, auf 33°7’29“ Nord und 117°4’51“ West, leben. Doch dann setzten Eric Clapton und J.J. Cale dem Städchen mit der CD „The road to Escondido“ ein Denkmal, das ein Jahr später mit einem Grammy als „bestes zeitgenössisches Blues-Album“ vergoldet wurde.

Seither ist Escondido zwar nicht ununterbrochen in aller Munde, aber immerhin: ein bisschen ein Begriff.

Wenn man Bürgermeister Sam Abed glauben darf – eine gewisse Vorsicht ist geboten; schliesslich will er seine 1888 erfundene Stadt ja in einem möglichst schattenfreien Licht präsentieren – handelt es sich bei Escondido um eine „vibrant community with just the right mix of small town friendlyness and big-city buzz“.

„Vibrant“ und „buzz„: Das kann man mit Blick auf die jungen Mexikanerinnen und Mexikaner, die sich im Motelzimmer unten rechts auf dem Bild eingenistet haben, wohl sagen: Morgens um 4.20 Uhr kommt deren Party gerade erst so richtig in Schwung. Allpott fahren neue Gäste vor, um den Raum mit mindestens einer Flasche Hochprozentigem bewaffnet zu stürmen, und ehrlich gesagt täte es mich nicht wundern, wenn der eine Festbruder oder die andere Festschwester sich zwischendurch sogar eine Ladung Haschisch in die Venen schiessen würde.

Openair gehts nicht viel zivilisierter zu und her: Auf dem Vorplatz warfen sich zwei Schwarze soeben mit bis zum Anschlag aufgedrehten Lautsprechern eine halbe Ewigkeit lang „Motherfucker“ und Artverwandtes an den Kopf. Irgendwie gings um einen Job und darum, dass Zeitgenossen ihrer Couleur ohnehin keine Chance hätten, einen solchen zu bekommen.

Andrerseits: Wer sich schon vor Sonnenaufgang so unflätig benimmt, kann natürlich mit noch so guten Zeugnissen und wohlwollendsten Referenzen von Personalbüro zu Personalbüro tingeln, ohne es auch nur einmal bis ins Sekretariat zu schaffen.

Auf Deutsch bedeutet „Escondido“ soviel wie „abgelegen“, „geheim“ oder „verborgen“. Das Management unserer Unterkunft tut alles, um dieser Prämisse gerecht zu werden: Auf der Website des Motels ist eine andere Adresse angegeben als jene, an der es sich tatsächlich befindet.

Das Keuchen, das von aussen in unser Zimmer dringt, braucht also nicht zwingend aus dem Sodomista und Gomorrhista zu kommen, in dem es sich unsere dunkelhäutigen Nachbarinnen und Nachbarn gemütlich gemacht haben. Möglicherweise handelt es sich dabei nur um das erschöpfte Japsen des Navis in unserem Auto.

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