Halunke laden zum Apéro

Die Marketingmasche ist immer ungefähr dieselbe: Wenn die Band AB die Arbeiten an ihrer neuen CD so gut wie abgeschlossen hat, lädt der Sänger XY einen Journalisten seines Vertrauens in die Quartierbeiz ein – oder, je nach Budget, in die Suite des nächstbesten Hyatt-Hotels – um ihm ein bisschen von dem Werk zu erzählen.

Im Verlauf des Besäufnisses lässt der Sänger durchblicken, dass er noch an keiner CD soviel Freude gehabt habe wie an dieser. Unabhängig davon, ob der Journalist ihn fragt oder nicht, schwärmt XY die nächsten zwei Stunden lang von all den Einflüssen, die sich in diesem Opus zu einem ganz grossen Ganzen vereinigt hätten: Die Ferien des Keyboarders in der Kalahari, die Reise des Bassers durch den Balkan, die Babypause der Backgroundsängerin – das alles und noch viiiiiiiel mehr sei wie von alleine in den Prozess des Songschreibens miteingeflossen und habe dazu geführt, dass die neue Scheibe so lebendig und vielfältig und abwechslungsreich klinge wie keine AB-Scheibe zuvor.

Sich das Wunderwerk anzuhören, ist dem Journalisten allerdings nicht vergönnt, weil entweder der extra eingeflogene Mixer aus Jamaica noch letzte Hand an den zweitletzten Song legt oder weil der Sänger die Rohfassung im Studio vergessen hat oder weil der Journi und der Musiker den Silberling mit ihren inzwischen 1,9 Promille im Kopf nicht mehr finden können.

Anderntags – oder übermorgen – setzt sich der Reporter an den Compi und schreibt nieder, was ihm von dem Exklusivgespräch in Erinnerung geblieben ist. Die Leserschaft erfährt von den Ferien des Keyboarders in Katmandu, der Reise des Drummers durch Argentinien, von der Geburt des Göttibuben des Sängers und dem Engagement des Mixers aus Südafrika.

„Und deshalb“, zitiert der Journalist den Sänger, „klingt unsere neue Scheibe so lebendig und vielfältig und abwechslungsreich wie keine unserer Scheiben zuvor“.

Viel mehr gibts zu der CD nicht zu sagen. Noch nicht. Mit dem Satz: <'Das ist unser bisher reifstes Album', freut sich AB-Sänger XY.> endet die Vorabbesprechung in der Regel. Wenn er der Lobhudelei noch einen kritischen Anstrich geben will, fügt der Autor keck ein „Ob die CD auch bei den Fans ankommt, wird sich weisen“ an.

Im besten Fall werweissen in einschlägigen Blogs und Szenekeipen dann ein paar hundert Eingeweihte darüber, wie zum Teufel die Platte denn nun klingen werde und ob er das jetzt wirklich sei: Der Bruch mit dem gmögigen Alternativen zugunsten einer unheiligen Verbindung mit dem Kommerz.

Bis Ende Woche hat zu dem neuen Album, das ausser der Band und dem Mixer aus Kaledonien bisher kein Mensch gehört hat, jeder etwas gesagt, was es dazu im Grunde noch gar nicht zu sagen gibt. Und wenn die Platte erscheint, bleibt sie wie Blei in den Gestellen liegen, weil das künstlich geschürte Interesse daran längst zu Tode debattiert wurde. Oder weil die Leute halt immer noch eher ungern die Katze im Sack kaufen, auch wenn der Sack mit „Super!!!“angeschrieben ist.

Die Berner „Halunke“ gehen einen ganz anderen Weg. Sie spielen nicht gross Versteckis, sondern zeigen lieber gleich, was sie zu bieten haben. Ihre zweite CD „Houston we are ok“ erscheint zwar erst am 21. September. Das hält die Band um Sänger, Komponist, Texter und Produzent Christian Häni aber nicht davon ab, schon drei Monate vor dem Takeoff im Cape Mahoganyhall einen Querschnitt durch die Platte ins Internet zu stellen.

Wie das klingt?

So:

Die Karten auf den Tisch zu legen, bevor das Spiel richtig begonnen hat: Das erfordert ein wenig Mut und ein bisschen Frechheit und ziemlich viel Selbstvertrauen. Denn angenommen, Tausende von Hörerinnen und Hörern kämen nach Anhören des Musters zum Schluss, das sei jetzt aber schon ziemlich genau nicht das, was man nach dem höchst erfreulichen Erstling „Souerei“ von den Halunke erwartet und erhofft hatte: Was dann?

Nun: Diese Frage wird sich kaum stellen. Nachdem schon die Vorab-Single „Me Meer“ durchaus Lust auf Mehr gemacht hatte, vermögen die jetzt servierten Häppchen den Appetit noch zu steigern: Eingängige Melodien, hintersinnig-witzig-schlaue Texte, fägige Rhythmen – mit ihrem Apéro nach Noten machen die Halunke gwundriger auf ihr jüngstes Werk, als sie es mit dem bierseligsten Exklusiv-Interview im schicksten Hotel der Welt machen könnten.

Mehr Infos zur Band und zur Platte und zu allem gibts hier.

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