Ein stierisch gmögiger Pfundskerl

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(Bild: Schatz)

Wir haben uns schon einmal gesehen, Fors vo dr Lueg und ich, und zwar genau am Sonntag, dem 1. September 2013, wobei: ich sah damals, als er durch die Emmental-Arena des Eidgenössischen Schwing- und Älperfestes in Burgdorf geführt wurde, ungleich mehr von ihm als er von mir, und ziemlich sicher war ich von ihm auch deutlich stärker beeindruckt als umgekehrt. Er war in jenen Minuten der grosse Star, während ich im Sektor X in Reihe Y unter über 50 000 Menschen höckelte und röchelnd von meinem Sitz hätte fallen können, ohne, dass das jemandem aufgefallen wäre.

Aller Augen waren auf ihn gerichtet, und wäre er damals tot umgekippt oder durchgebrannt: auf der Medientribüne hätten die Dutzenden und Aberdutzenden von Sport- flugs durch Katastrophenberichterstatter ersetzt werden müssen, und noch in grob geschätzt 483 Jahren würden die Menschen, wenn sie über das ESAF in Burgdorf reden, vollautomatisch eine Schweigeminute einlegen, um ihm oder all jener zu gedenken, die damals in den ersten Reihen sassen und beim „Muninferno“ (wie der „Blick“ auf der Frontseite seiner 16seitigen Sonderausgabe titelte) flach herausgekommen waren.

Nun trafen wir uns wieder, und zwar wars – ich glaube, das ist genau das, was uns verbindet und die sozusagen in Sägemehl gegossene Basis unserer Beziehung darstellt – erneut an einem Schwinganlass; genauer: am „Oberaargauischen“ in Seeberg-Grasswil. Ich begleitete meinen Schatz, er den amtierenden Schwingerkönig, und als wir uns unter dem mit grauen Wolken verhangenen Himmel zum ersten Mal überhaupt direkt in die Augen blickten, wussten wir in derselben Sekunde mit absoluter Gewissheit: gleich beginnts zu regnen.

Er hatte, fand ich, ein bisschen abgenommen in den letzten Monaten. Das mag einerseits daran liegen, dass er als Eidg. Siegermuni ziemlich viel Arbeit hat, und andrerseits daran, dass er nebenbei noch als Model arbeitet. Fors ist mittlerweile mehrfacher Vater und amtierender Mister Thun. Oesch’s die Dritten, die wohl berühmteste Volksmusiktruppe der Schweiz, haben ihm, den potentesten Promi zäntume, sogar ein Lied auf den rund eine Tonne wiegenden Leib geschrieben:

Doch er nimmt den Rummel, der bisweilen um ihn herum veranstaltet wird, gelassen. Ohne Extrawürste zu verlangen, geniesst er seine Freizeit mit einigen Artgenossinnen und einem Haufen Truthähne auf dem Thanhof von Simon Hertig, dem Cousin von Schwingerkönig Matthias Sempach, im idyllischen Ranflüh. Ab und zu zeigt er sich an Sponsorenanlässen. Zweimal pro Woche geht er zum Samenspenden. Letzteres ist für ihn mit mehr Arbeit verbunden, als mann vielleicht denkt.

Einmal hat die „Schweizer Illustrierte“ ihn auf die Büez begleitet. Als der Reporter seine Eindrücke anschliessend in Worte zu packen versuchte, muss ihm selber fast ein Schuss abgegangen sein: „Tierpfleger Leo Grünenfelder lässt ihn zweimal einen anderen Stier von hinten bespringen – Blindsprünge. Jetzt ist Fors giggerig genug – auf gehts zum Finale! Zum Absamen, wie es unter Fachleuten heisst. Breitbeinig nimmt Fors Stellung vor dem Bock, schnaubt und grunzt. Und springt! Der Oberkörper bleibt oben, innert Sekundenbruchteilen folgt ein Nachsprung – die Hinterbeine in der Luft. Leo Grünenfelder reagiert blitzschnell. Er weiss genau, in welchem Augenblick er den Samen mit der 41 Grad warmen ‚künstlichen Vagina‘ abzapfen muss. Im nächsten Augenblick steht Fors wieder auf allen vieren. In einer Stunde ist er nochmals an der Reihe. Dann ist Feierabend!“

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50 Franken kostet eine Dose „Fors flüssig“, und wenn der Pfundskerl auf diese Weise, wie geplant, tatsächlich 8000 Kälbchen zeugen würde, käme eine schöne Stange Geld zusammen. Doch Fors wäre nicht Fors, wenn er das alles für sich behalten würde. Er und sein Chef spenden fünf Franken pro Büchse an Nachwuchsschwinger und eine Organisation, die sich um Kinder in der Schweiz kümmert.

Das alles und noch viel mehr ging mir durch den Kopf, als wir in Seedorf nebeneinander standen. Nicht ohne Ehrfurcht und mit allem gebotenen Respekt beugte ich mich ein bisschen zu ihm hinunter, um unser Treffen für die Nachwelt mit einem Selfie zu dokumentieren. Als unsere Augen auf derselben Höhe waren, stupste er mich mir seinem linken Horn leicht an. Es war, als ob er mir auf diese Weise hätte sagen wollen: „Du bist gerade dabei bist, vor allen Leuten ein Bild von dir und einem Stier zu schiessen. Ist dir das wirklich ernst?“

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