Die halbe Nacht mit Vögeln verbracht

Ein paar hundert Kilometer nördlich von Byron Bay liegt Rainbow Beach. Hier haben wir uns für 90 australische Dollar – das sind umgerechnet 90 Schweizer Franken – in einer kleinen Studiowohnung in einer palmengesäumten Ferienanlage fast direkt am Strand eingemietet. Wir sind in den Tropen angekommen, im „Sunshine State“ Queensland. Kaum hatten wir das Zimmer bezogen, begann es zu regnen. Euer Albtraum ist wahr geworden, liebe Bootsverleiher und Openair-Beizer: Here I am.

Das Schlafen war ein Erlebnis für sich: Wer schon im Vogelhaus des Basler Zoos übernachtet hat, kann sich die Geräuschkulisse ungefähr vorstellen. Ab ungefähr halb Vier krähten, sangen, jubilierten, keckerten und meckerten die kunterbunten Piepmatze ununterbrochen und ungeachtet des aus dem Himmel fallenden Wassers in ihren Bäumen. Es war eine kleine Nachtmusik der ganz besonderen Art. Inzwischen – es tagete wie immer in diesem Land sehr schnell – haben sich die meisten Gesangskünstler und Pfeifakrobaten zum Schlafen ins Dickicht zurückgezogen. Schade – ich hätte gerne gesehen, wer mich in den letzten Stunden so nett unterhalten hat.

Chantal sagte, sie habe aus einem Nachbarhaus noch ganz andere Geräusche vernommen, die im weiteren Sinne ebenfalls mit dem gefiederten Gesangsverein zu tun hatten. Aber das wollen wir, weil vielleicht auch Kinder mitlesen, nicht vertiefen. Mein Schatz verbringt den Tag heute auf Fraser Island, um – dann hoffentlich sonnenbestrahlt – durch schneeweissen Sand zu schlendern, ein verrostetes Wrack zu bestaunen und durch glasklare Bächli zu waten. Ich bleibe auf dem Kontinent und werde chli über den Weihnachtsmarkt bummeln, Leute gucken und am blaugrünen Meer lesen, falls es irgendwann noch aufhört zu schiffen.

Weiter hoch in den Norden reisen wir auf diesem Australientrip nicht. Morgen machen wir uns auf den gemütlichen Rückweg nach Sydney; am Donnerstagmorgen geben wir dort unseren Wagen zurück. Vorher legen wir noch einen Zwischenstopp im „Dolphin Motor Inn“ in Byron Beach ein, dessen Besitzer uns neulich so freundlich geholfen haben, als ich mein Portemonnaie verloren hatte. Wir müssen noch etwas holen: Chantal hat im Motelzimmer ihr Schweizer Geld liegenlassen.

Frauen…

Nachtrag: Es goss tatsächlich 24 Stunden lang ununterbrochen wie aus den vielbemühten Kübeln. Die Leute im Ort sagten, so einen „Sommer“ hätten sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Chantal kam pflotschnass und zähneklappernd von der Insel zurück. Sie wirkte, als ob sie durch die Antarktis getrampt und von niemandem mitgenommen worden wäre. Aber schön seis gewesen, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte. Sie sah Sand ohne Ende, das Schiffswrack, diverse nette Mitreisende und einen angefressenen Hai. Ich genoss meinen Single-Tag lesend und über den Sinn des Lebens reflektierend im Motelzimmer.

1 Kommentar

  1. Dobber! Ich an Deiner Stelle würde nicht ganz so grosse Reden schwingen: Immerhin hab ich mein Portemonnaie wieder 😉

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